zum Hauptinhalt

Brandenburg: „Keine Ahnung vom Sparen“

Interview mit dem Autor Mathew D. Rose über die Schulden Berlins und das Versagen der Politik / PNN-Talk in Kleinmachnow

Stand:

Interview mit dem Autor Mathew D. Rose über die Schulden Berlins und das Versagen der Politik / PNN-Talk in Kleinmachnow Herr Rose, Brandenburg hat die Länderfusion mit Berlin nach den Landtagswahlen auf die lange Bank geschoben sie soll nicht vor 2010 entschieden werden. Auch wegen der Finanzlage der beiden Länder. In Brandenburg stellt man sich die Frage, ob sich das arme Brandenburg die konkursreife Hauptstadt überhaupt als Partner aufladen soll. Ist in Berlin absehbar, dass der Stadtstaat seine Finanzen in den Griff bekommt? Keinesfalls. Nach Angaben von Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin soll Berlins gegenwärtige Verschuldung von 57 Milliarden bis zum Jahr 2007 sogar auf 67 Milliarden klettern. Gleichzeitig wird weiteres wertvolles Landeseigentum verkauft, um einer weiteren Verschuldungen gegenzusteuern. Währenddessen lebt Berlin von seiner Substanz also wenig Investition,während die öffentliche Infrastruktur und die öffentlichen Aufgaben vernachlässigt werden. Berlins finanzieller Niedergang geht ungebremst weiter. In Berlin wird argumentiert, die Hauptstadt leide besonders unter den finanziellen Belastungen der Wiedervereinigung. Stimmt das Argument oder ist ein Teil der Probleme nicht doch hausgemacht? Man vergisst nur zu gern, dass Berlin viel Geld vom Bund und von der EU für den Wiederaufbau von Ost-Berlin erhalten hat. Vieles wurde leider nicht für diesen Zweck eingesetzt, sondern für das Stopfen von Haushaltslöchern verwendet. Berlins Verschuldung ist nach meiner Erfahrung die Konsequenz aus einer inkompetenten und korrupten politischen Klasse. Doch auch die Bevölkerung hat nur zu gern mitgemacht. Kurz vor den Berliner Wahlen im Jahr 1995 hat die große Koalition aus CDU und SPD die Gehälter des öffentlichen Dienstes im Ost-Teil der Stadt an den West-Tarif angeglichen. Und das in einer Zeit, in der Berlins Personalausgaben dringend hätten gekürzt werden müssen. Das war verantwortungslos seitens der Politik und der Gewerkschaften. Hätte es durchsetzbare Alternativen zur Gleichbehandlung aller Landesdiener gegeben? Wenn die Gewerkschaften von der Gleichstellung der Beschäftigten in Ost und West so überzeugt waren, dann hätte man die bisherigen Personalausgaben des Landes in einen Topf werfen können und für alle gleichmäßig aufteilen können, ohne neue Kosten für das Land zu verursachen. Das wäre wahre Solidarität gewesen auch, wenn es schwieriger geworden wäre! Waren Verwaltung und Wirtschaft Berlins nach der Wende überhaupt reif für freien Wettbewerb und sparsamen Umgang mit öffentlichen Geldern? Weder die West- noch die Ost-Berliner Politik und auch die Berliner hatten eine Ahnung davon, was Marktwirtschaft tatsächlich ist, geschweige denn Länderfinanzen. Beide Hälften der Stadt lebten in einer Subventions-Traumwelt, waren hoch subventionierte Frontstädte. Die West-Berliner politische Klasse, die die Macht in der Hand hatte, kannte nur die Verteilung von öffentlichen Geldern meist aus Bundeshilfen an sich und ihre Seilschaften. Haushalten oder Sparen haben sie weder gekannt noch begriffen. Bis heute machen sie weiter so: Seilschaften werden fürstlich aus der Landeskasse mit Steuergeldern bedient – von der Bevölkerung werden die Opfer verlangt. Wie hoch sind die Schulden und Risiken, die das Land Berlin durch die Pleite der Bankgesellschaft trägt? Wenn man alles zusammenaddiert, was öffentlich bekannt ist, bekam die Bankgesellschaft seit ihrem Absturz im Jahr 2001 eine Unterstützung von mehr als zehn Milliarden Euro vom Land Berlin zugesagt. Das ist nicht das Ende der Fahnenstange. Experten gehen von weiteren zehn Milliarden Euro aus, die das Land für die Bank aufbringen muss. In ihren Büchern „Warten auf die Sintflut“ und „Eine ehrenwerte Gesellschaft“ berichten Sie von „versteckten“ Schulden, die der Senat und seine Tochterfirmen vor sich herschieben. Wie hoch sind diese und woher rühren sie? Dabei geht es um zwei Bereiche: Schulden sowie Verbindlichkeiten. Verbindlichkeiten sind Verpflichtungen, die in der Zukunft bezahlt werden müssen, wie für den sozialen Wohnungsbau, Beamtenpensionen oder die Schulden von ausgelagerten Betrieben wie die BVG und BSR. Versteckte Schulden, sind Verluste, die noch anfallen werden, wie bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften – viele stehen vor der Pleite – oder die noch verdeckten Verluste der Bankgesellschaft, die wahrscheinlich weitere zehn Milliarden Euro ausmachen. West-Berlin war schon vor der Wende geprägt von Klüngel und Skandalen besonders bei öffentlichen Aufträgen im Baubereich. Hat sich das nach der Wende unter freien Marktbedingungen geändert? Die West-Berliner politische Klasse hat bis heute gar nichts dazu gelernt. Schauen Sie sich allein die Tempodrom-Affäre an. Zu ihrer Frage: Bis 1998 wurde in Berlin über die sozialen Wohnungsbauförderung immer noch um 300 Prozent teuerer gebaut als im Rest der Republik allerdings betraf dies eigentümlicherweise nur die öffentliche Hand. Also: Bis mindestens 1998 war es in Berlin nach Quadratmeterpreisen teurer, eine öffentlich geförderte Mietwohnung zu bauen, als ein privates Einfamilienhaus. Die SPD war im Zuge des Bankenskandals und der Landowski-Affäre aus der Koalition mit der CDU ausgetreten, obwohl auch Genossen in Spitzenpositionen bei den Banken in den Skandal verwickelt waren. Wie konnte die SPD das so gut überstehen? Die SPD hat geschickt gehandelt – mit Rückendeckung der Grünen. Gleichzeitig haben sie die Berliner auch für dumm verkauft, die sich mit absurden Ausreden und Hinhaltetaktiken ruhig stellen ließen. SPD und PDS haben nach der Wahl nun ein in Berlin gestartetes Volksbegehren gegen diese Politik und die Subventionierung der Bankgesellschaft in den Sand laufen lassen. SPD und PDS waren angetreten, die Hauptstadt zu modernisieren und zu sanieren ... ... wie gesagt: Nichts hat sich geändert. Konsequenzen aus den jüngsten Skandalen – der Tempodrom-Affäre und den beiden Wahl-Spender-Essen etwa mit Klaus Wowereit hatten keine Konsequenzen. Die Pleite der Bankgesellschaft hatte keine Konsequenzen. Stellen Sie sich nur einmal vor: Die ehemaligen, für das Milliarden-Fiasko verantwortlichen Vorstände bekommen immer noch ihre Rente von rund 20 000 Euro monatlich! Verurteilt wurde niemand. Sind aus Ihrer Sicht die Bitten Berlins um Bundeshilfen für den Hauptstadt-Haushalt gerechtfertig? Nein. Es wäre katastrophal, wenn der Bund Berlin zusätzliches Geld gäbe. Es wäre, als ob man einem Alkoholiker – ohne einen Entzug hinter sich zu haben – einen Spirituosenladen überließe. Erst muss eine verantwortungsvolle, integre Politik in Berlin betrieben werden, dann kann man über eine Sanierung der Landesfinanzen mit Hilfe des Bundes reden. Das Interview führte Peter Tiede

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })