Glosse: Keine Niedertracht
Tradition und Fiktion: Eine Posse über russische Trachten und Brandenburgs Team für Sotschi.
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Die Deutschen im Ausland sind ein ignorantes Volk. Sie interessieren sich nicht für fremde Kulturen, sondern vermissen lieber dunkles Brot und ordentliches Bier. Das zumindest glauben die Deutschen von sich selbst. Wenn Deutsche in offizieller Funktion verreisen, müssen sie deshalb doppelt vorsichtig sein. Und da nominiert Brandenburgs Staatskanzlei – zusammen mit der Sporthilfe Brandenburg – also erstmals ein Bobfahrer-Team für die olympischen Winterspiele im südrussischen Sotschi. Das posiert dann in der Potsdamer Alexandrowka prompt mit zwei jungen Frauen in Trachten, die eher für Nord- und Zentralrussland typisch sind. Das zumindest sagt die russische Botschaft auf Anfrage. Und schickte gleich eine Grafik von typisch südrussischen Trachten mit. Was für ein Fauxpas! Warum mussten überhaupt zwei junge Frauen mit aufs Bild, noch dazu in Tracht? Wegen der Exotik?
In Wirklichkeit war natürlich alles ganz anders: Der Termin fand im russischen Restaurant in der Alexandrowka statt, es gab Pelmeni, Butterbrodi mit Räucherlachs und Kaviar, außerdem Birkensaft und Kwas, eine Art russisches Malzbier. Und die Kellnerinnen kamen eben mit aufs Bild, zack. Die Trachten, die sie tragen, sind übrigens weder typisch süd- noch typisch nordrussisch. „Die sind quasi Fantasie, genäht aus Versatzstücken verschiedener Trachten“, sagt Restaurantbetreiber Thomas Hein. Genäht hat sie seine Frau Tatjana, die immerhin aus dem nordrussischen Workuta stammt.
Ein bisschen recht hatten die Deutschen mit ihrer Vorsicht also doch.
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