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Brandenburg: Keine Ruhe am Ufer

Brandenburg hat vom Bund zahlreiche Gewässer gekauft, um die Privatisierung zu verhindern. Sie sollen zugänglich bleiben. Doch nun streiten Naturschützer sowie Fischer und Angler darum

Von Matthias Matern

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Potsdam - Ein Pleite wie beim Wandlitzer See wollte man nicht mehr erleben. 2003 wurde der Badesee von der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) für eine Mindestgebot von 420 000 Euro zum Verkauf ausgeschrieben. Weil die Gemeinde Wandlitz (Barnim) das Geld nicht aufbringen konnte, erhielt ein Düsseldorfer Rechtsanwalt den Zuschlag. Fortan wurde für die See-Nutzung Gebühren verlangt. Für den Steg der Badeanstalt wurde eine Jahrespacht von 10 000 Euro fällig, selbst die Wasserentnahme sollte Geld kosten, der Fall wurde zum abschreckenden Beispiel. Um weitere Privatisierungen zu verhindern, hat Brandenburg 2012 nach langen Verhandlungen von der BVVG 65 Seen zu einem Preis 3,74 Millionen Euro abgekauft. Doch über die Zukunft der Gewässer ist ein Streit entbrannt: Fischer, Angler und der Städte- und Gemeindebund planen eine „Privatisierung durch die Hintertür“, behaupten Naturschützer. Die Beschuldigten wiederrum fürchten um ihre Nutzungrechte, sollten 14 Seen wie geplant dem landeseigenen Naturschutzfonds unterstellt werden.

Der Streit entzündet sich an einem Vorschlag, den Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, Ende April auf den Tisch gelegt hatte. Alle Seen sollten einer privatrechtlichen Stiftung unter Federführung des Fischereiverbandes, des Anglerverbandes und der Städte- und Gemeindebundes übertragen werden. „Nur so können die öffentliche Zugänglichkeit und die Rechte der Gemeinden für alle Seen gewahrt werden“, findet Böttcher.

Die Stiftungsidee stellt alle bisherigen Pläne auf den Kopf. Erst wenige Tage zuvor hatte Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) erklärt, geplant sei, 45 Seen anliegenden Kommunen unentgeltlich zu übertragen, sechs Gewässer unter Aufsicht der Forste zu stellen und insgesamt 14 Gewässer der Stiftung Naturschutzfonds zu übergeben. Vorsitzende des Stiftungsrates ist Landesumweltministerin Anita Tack (ebenfalls Linke). „Das sind wir natürlich hellhörig geworden. Wir wollen keine Abschottung zu Naturschutzzwecken“, so Böttcher. Die Stiftungsidee habe man bereits einigen Bürgermeistern, aber auch Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger und Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) vorgestellt. Alle hätten sich durchaus aufgeschlossen gezeigt, so Böttcher.

Naturschützer aber warnen, eine Übertragung der Seen an eine privatrechtliche Stiftung würde einem Landtagsbeschluss vom August 2012 widersprechen. Dieser stehe unter der Überschrift „Seen in öffentlicher Hand – Gemeinwohlbelange gesichert“, hatte der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Friedhelm Schmitz-Jersch, auf Böttchers Vorschlag gekontert. Trotz Naturschutz seien Angelsport, Fischerei und Tourismus durchaus weiter möglich – nur eben unter Vorbehalt naturschutzrechtlicher Vorgaben. Ausgeschlossen seien etwa der Besatz der Gewässer mit Fischen, die nicht in den jeweiligen Lebensraum passen, das Anfüttern von Fischen oder das Verwenden von Fanggeräten, in denen geschützte Tiere wie Biber zu Tode kommen könnten, zählt Bernhard Schmidt-Ruhe, Geschäftsführer des Naturschutzfonds, auf. Auch Fischfresser wie Fischotter und Kormorane müssten geduldet werden. „Nicht was wir als Eigentümer wollen, sondern der Schutzstatus eines Gebiets gibt vor, was erlaubt ist.“

Auch Fischer und Angler seien quasi Naturschützer, meint Lars Dettmann, Chef des Landesfischereiverbandes. „Wir leben von intakten Gewässern, sind also gezwungen, sie nachhaltig zu bewirtschaften.“ Die Angaben zu Fischottern, die angeblich in Netzen und Reusen brandenburgischer Fischer umgekommen sind, seien vielmehr an den Haaren herbei gezogen. Auch würde Fischbesatz weder die Artenvielfalt noch die Wasserqualität schädigen, so der Verbandspräsident. Den Vorwurf, eine Privatisierung durch die Hintertür zu betreiben, finde er unfair. „Niemand würde behaupten, die Übertragung eines Sees an die Heinz-Sielmann-Stiftung sei eine Privatisierung durch die Hintertür“, so Dettmann.

Eine Verpflichtung, die Seen bei der öffentlichen Hand zu halten, findet sich im zitierten Landtagsbeschluss nicht. Unter der Überschrift heißt es lediglich: Die Frage der Eigentumsübertragung dürfe nicht „Gegenstand ideologisch geprägter Betrachtungen werden, in der Nutzergruppen von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen oder alleinig bevorzugt werden“. „Die Frage der Eigentumszuordnung hat sich vielmehr daran zu orientieren, wie eine unter dem Primat der öffentlichen Gemeinwohlbelange optimale Umsetzung der Interessen des Landes Brandenburg erreicht werden kann.“

Bei einigen Abgeordneten kommt Böttchers Stiftungsmodell gut an. So hat etwa Dieter Dombrowski, CDU-Fraktionschef, seine Unterstützung signalisiert. SPD- Umweltexpertin Martina Gregor Ness ist eine solche Lösung jedenfalls lieber, als wenn das Seenpaket weiter zerlegt wird. Denn noch ist nicht klar, wie viele Kommunen Interesse an einem See haben. Schließlich ist das Eigentum mit Kosten verbunden, die manche überfordern dürfte. „Bislang liegen rund ein Dutzend Anträge auf Übernahme vor“, sagt eine Sprecherin des Finanzministerium. Sei eine Kommune nicht interessiert, werde das Gewässer anderen infrage kommenden Nutzern angeboten – Anglern oder Fischern.

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