Brandenburg: Keine Spur vom „Problemwolf“
Forscher: Brandenburg auf dem Weg zur „Wolfsregion Nr. 1“ / Bis nach Potsdam kommen sie aber wohl nicht
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Potsdam - Das Wolfsrudel, das sich im Süden Brandenburgs auf einem Truppenübungsplatz in der Zschornoer Heide angesiedelt hat, ist nach wie vor intakt. Bei einer Drückjagd im Bundesforst konnten in der vergangenen Woche die beiden Alttiere und mehrere Welpen ausgemacht und gefilmt werden, teilte Wolfsschützer Stephan Kaasche am Dienstag im Potsdamer Haus der Natur mit. 2006 war in dem Gebiet erstmals ein Einzeltier gesichtet worden, das in diesem Jahr eine Gefährtin gefunden und Jungen gezeugt hat. Damit besitzt neben dem sächsischen Teil der Lausitz, in dem bereits drei Rudel heimisch sind, nun auch Brandenburg nach mehr als 150 Jahren erstmals wieder ein Wolfsrudel.
Laut Kaasche, der im Biologischen Büro „Lupus“ (Wolf) arbeitet, ist Brandenburg auf dem Weg zur „Wolfsregion Nr. 1“ in Deutschland. Wie die weitere Ausbreitung verläuft, sei allerdings ungewiss. Wölfe legten auf der Partnersuche oft Hunderte von Kilometern zurück, so dass an unterschiedlichsten Plätzen unvermutet Rudel entstehen könnten. Im weiteren Umkreis um Berlin und damit auch in der Potsdamer Gegend sei dies allerdings unwahrscheinlich. Untersuchungen von „Lupus“ hätten ergeben, dass es hier kaum geeignete Lebensräume für den Isegrim gibt.
Geeignet seien sie dagegen südlich Luckenwaldes und westlich Belzigs an der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Nicht ausschließen wolle er, dass der Wildreichtum in Teilen des Kreises Potsdam-Mittelmark die sehr anpassungsfähigen Tiere anlockt. Wölfe brauchten keine Wildnis, sondern würden in verschiedenen Landschaftsformen heimisch, so Kaasche.
Entscheidend für eine Wiederansiedlung des Raubtiers sei jedoch dessen Akzeptanz durch den Menschen. Dagegen gebe es durch verängstigte Dorfbewohner mit „Rotkäppchen“-Syndrom und Bauern, die um ihre Haustiere bangen, erhebliche Widerstände; ebenso bei Jägern, die im Wolf einen Konkurrenten sehen. Unter dem Dach der sächsischen Landesregierung bemühen sich „Lupus" und das für die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz, Kenntnisse über das Tier und seine Lebensweise zu vermitteln. „Lupus" hat 500 so genannte Sichtungsfälle untersucht, in denen sich Mensch und Wolf begegneten. Nicht ein einziges Mal sei dabei eine Person angegriffen oder gar verletzt worden, sagte Wolfsforscher Kaasche in Potsdam. Vielmehr suche das scheue Wildtier sofort das Weite. Bei den Untersuchungen von 1000 Losungen (Kot) habe sich heraus gestellt, dass nur 0,7 Prozent der Nahrung der Wölfe aus Haustieren bestand – darunter oft Reste von gebratenem Fleisch, das sich Isegrim vom Komposthaufen geholt hatte. Hauptbeute sind Rehe, Rothirsche und Wildschweine, in der Mehrzahl schwache oder kranke Exemplare. Doch auch die Jäger müssten nicht befürchten, dass ihre Jagdstrecke schwindet, meinte der Wolfsforscher. Einem durch Wölfe gerissenen Wildtier stünden sieben von Jägern erlegte gegenüber. Dennoch bestehe der Verdacht, so Kaasche, dass Wölfe illegal geschossen werden. Das zeigten Funde von durch Kugeln aus Jagdgewehren niedergestreckten Tieren. Einige Wolfsgegner handelten offensichtlich nach dem Motto „Schießen, Schaufeln, Schweigen“, so Kaasche.
Sorgen der Bauern um ihr Schafe und Ziegen nehme man durchaus ernst, obwohl bisher nur verschwindend wenige Haustiere durch Wölfe getötet wurden. Empfohlen werde eine Sicherung derHerden durch so genannte Euronetze oder Elektrozäune, die allerdings nicht billig seien und erheblichen Arbeitsaufwand erforderten.
Der Wolfsschützer aus Sachsen empfahl dem Land Brandenburg ebenfalls die Einrichtung eines Forschungs- und eines Kontaktbüros. In einem sei man an der Havel allerdings weiter als in Sachsen: In Brandenburg gibt es bereits seit 1994 einen Plan zum Wolfsmanagement. Er stellt den Schutz des Menschen an erste Stelle. Dies bedeutet, dass „Problemwölfe“, die dem Menschen aggressiv begegnen und hohe Schäden anrichten, weggefangen oder erlegt werden.
Erhart Hohenstein
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