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Brandenburg: Kinderschwund in Yuppiecity

Für Familien mit Kindern ist im Berliner Zentrum wenig – bezahlbarer – Platz, selbst in gebärfreudigen Lagen wie Prenzlauer Berg

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Berlin - Wegen des geringen Angebots an großen und bezahlbaren Wohnungen verlassen junge Familien immer häufiger Berlins beliebte Szeneviertel in Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Dieses Ergebnis der gestern vorgestellten Studie des Potsdamer Instituts für soziale Stadtentwicklung ist überraschend. Denn gerade in diesen beiden Bezirken gibt es stadtweit die meisten Geburten. Der Berliner Mieterverein, der die Studie in Auftrag gab, fordert deshalb Maßnahmen des Senats, um die Stadtflucht zu stoppen. „Die Renaissance der Innenstadt ist kein Selbstläufer“, sagt Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter.

Die Forscher kamen der Flucht junger Familien auf die Spur, als sie die Zahlen der unter Sechsjährigen über einen längeren Zeitraum verfolgten. Sie untersuchten ausgewählte Kieze mit überdurchschnittlich hohen Geburtenzahlen in Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Das Ergebnis: Es wandern mehr Kinder mit ihren Eltern ab, als dort neue hinziehen oder geboren werden. „Erwachsene mit Kleinkindern verlassen nach einer gewissen Zeit die Innenstadt“, sagt Armin Hentschel, Direktor des Instituts.

Der Exodus der jungen Familien gelte für die ganze Innenstadt. Davon profitieren die Brandenburger Vororte von Berlin sowie die Randbezirke der Stadt, wo viele junge Familien hinziehen, sagte Hentschel.

Die politisch viel beschworene Renaissance der Innenstädte sei kein „Megatrend“, so der Forscher weiter. Das zeigten auch die Wanderungsbewegungen innerhalb Berlins: Mehr Einwohner ziehen aus dem Zentrum an den Rand der Stadt als umgekehrt. Die Bevölkerung im Zentrum schrumpft aber deshalb noch nicht, weil viele junge, kinderlose Menschen aus dem Umland in die City ziehen und es auch Auszubildende aus dem Ausland in die Stadt zieht.

Einen Grund für die „Randwanderung“ innerhalb der Stadt ist laut Mieterverein das schlechte Wohnungsangebot im Zentrum. Die Wohnungsprobleme Berlins würden nicht durch den kleinen Bauboom exklusiver „Townhouses“ in Prenzlauer Berg gelöst. Dieser bewege sich im Promillebereich, gemessen an den 1,8 Millionen Wohnungen in der Stadt, so Vetter. Bezahlbare Wohnungen für Familien seien rar, weil es an einer entsprechenden Mietenpolitik fehle. Der Direktor des deutschen Mieterbundes, Franz Georg Rips, forderte deshalb eine „bessere Verzahnung der Bundesprogramme Soziale Stadt, Stadtumbau und Städtebauförderung“ sowie eine „Schul- und Verkehrspolitik im Interesse der in der Stadt lebenden Menschen“.

Auch die geringfügig gestiegene Zahl der Einwohner in Berlin ist nach Einschätzung des Stadtforschungsinstituts ein „überschätzter, kurzfristiger Trend“: Ende vergangenen Jahres lebten in Berlin gerade so viele Menschen wie zuletzt 1995. Außerdem sei der kleine Zuwachs der Bevölkerung vor allem „der DDR zu verdanken“: Dort hatte es nach 1977 einen Babyboom gegeben, anders als im Westen Berlins, wo stetig weniger Kinder geboren wurden. Diese geburtenstarken Jahrgänge bekommen nun Kinder, hielten die Schrumpfung Berlins aber nur für eine kurze Zeit auf. Die langfristigen Prognosen gingen von einer Alterung der Bevölkerung aus.

Auch der Wohnungsmarktbericht der landeseigenen Investitionsbank Berlin hebt den Mangel an bezahlbaren Wohnungen in der Innenstadt fest. Die rasch steigenden Mieten seien eine große Belastung für viele Haushalte, weil deren Realeinkommen schrumpften.

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