Brandenburg: Kindeswohl: Berlin hat bereits ein Frühwarnsystem
Bei der Überwachung der Schulpflicht arbeiten die Behörden jetzt eng zusammen
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Berlin - Am Dienstag wurde die Leiche des zweijährigen Kevin aus Bremen im Kühlschrank seines drogenabhängigen Vaters entdeckt – der Fall erschüttert auch viele Berliner. Und es gibt wohl kaum einen Jugendamtsmitarbeiter, Polizisten oder Sozialarbeiter, der ernsthaft behauptet, so etwas könne in Berlin nicht passieren. Nicht zuletzt deshalb, weil ähnliche Verwahrlosungsfälle auch hier immer wieder vorkommen. Erst am vergangenen Sonntag war eine betrunkene Frau mit ihrem ebenfalls alkoholisierten, achtjährigen Sohn auf einer Parkbank am Wannsee aufgefallen. Die beiden waren dem zuständigen Jugendamt Steglitz-Zehlendorf vorher nicht bekannt. Die Grundschule des Achtjährigen hatte aber das Amt bereits zu einer Schulhilfekonferenz nach den Herbstferien eingeladen.
Für den Leiter der Abteilung Jugend und Familie in der Schulsenatsverwaltung, Wolfgang Penkert, steht fest, dass diese Einladung das Ergebnis eines Schulrundschreibens vom 15. September dieses Jahres ist. Darin wird ein einheitliches Verfahren zur Überwachung der Schulpflicht in Berlin empfohlen. Ausgearbeitet wurde es von einer Expertengruppe, die gebildet worden war, nachdem Ende vergangenen Jahres festgestellt wurde, dass Dutzende Kinder in Berlin die Schule schwänzten und niemand wusste, wo sie sich aufhielten. Auslöser für das einheitliche Verfahren war auch der Fall des kleinen Dennis, der jahrelang tot in einer Cottbuser Tiefkühltruhe lag und dessen Verschwinden niemand bemerkte, obwohl er längst zur Schule hätte gehen müssen.
„In dem Rundschreiben wird ein detaillierter Zeit-Maßnahmeplan festgeschrieben“, sagt Penkert: „Da steht auch drin, wer wann wen informieren muss, wenn es andere Probleme mit Schülern gibt.“
Ähnlich einheitliche Verfahren könnte sich die Steglitzer Jugendstadträtin Anke Otto (Grüne) auch für die Sozialarbeiter vorstellen, die im Auftrag der Jugendämter Familien betreuen. Allerdings dürften standardisierte Fragen, die auf Probleme hinweisen könnten, nicht die gründliche Bewertung jedes Einzelfalls ersetzen.
Entsprechende Empfehlungen werden auch im Abschlussbericht vom „Netzwerk Kinderschutz“ enthalten sein, das die Zusammenarbeit von Sozial-, Jugend- und Schulämtern mit Ärzten und Polizei verbessern will, sagt Regina Kneiding von der Sozialverwaltung. Das Netzwerk war gegründet worden, nachdem im Dezember des vergangenen Jahres eine ganze Serie von Vernachlässigungsfällen bekannt wurde: In Lichtenberg hausten drei Kinder in einer völlig verdreckten Wohnung, in Marzahn wurde ein Baby fast zu Tode geschüttelt, in Reinickendorf kam eine Elfjährige sechs Monate nicht in die Schule, ohne dass jemand reagierte.
Die zuständigen Behörden in Berlin, sagt Kneiding, unternähmen derzeit also vieles, um zu reagieren, bevor Kinder durch alle sozialen Kontrollen fallen. Um Fälle wie in Bremen möglichst zu verhindern, seien aber alle Bürger gefragt. Deshalb soll demnächst eine einheitliche Telefon-Hotline geschaltet werden. Dort können aufmerksame Menschen anrufen, um Gehör oder Rat zu finden, wenn sie sich um Kinder sorgen und nicht gleich die Polizei alarmieren wollen.Sandra Dassler
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