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Brandenburg: Kindsmord vor 40 Jahren?

Prozess gegen 74-Jährige: Mediziner sieht unnatürliche Todesursache

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Neuruppin - Im Mordprozess gegen eine 74-Jährige, die vor mehr als 40 Jahren ihren Sohn umgebracht haben soll, sind am Landgericht Neuruppin mehrere Sachverständige gehört worden. „Ich habe den Staatsanwalt damals vor Ort gleich auf eine mögliche Kohlenmonoxid-Vergiftung hingewiesen“, sagte der Notarzt, der am Morgen des 5. November 1974 in einer Plattenbauwohnung in Schwedt (Oder) den Tod des damals Achtjährigen festgestellt hatte.

Der Drittklässler habe alle typischen Vergiftungsmerkmale aufgewiesen, erinnerte sich der Arzt. Er sei daher von einer nicht natürlichen Todesursache ausgegangen. Die spätere Obduktion ergab eine tödliche Kohlenmonoxid-Konzentration im Blut des Jungen. Dem Notarzt war damals aber unklar, wie es dazu kommen konnte. „Ich habe außerdem in Erinnerung, dass damals gesagt wurde, dass es ein Unfall gewesen sei. Ich habe mich selbst aber gewundert, dass ich keinen Gasgeruch wahrgenommen habe, obwohl Stadtgas nach faulen Eiern riecht.“ Die heute 74-Jährige soll das schlafende Kind nachts in die Küche getragen und in die Nähe des Gasherds gelegt haben. Der Junge soll das Kohlenmonoxid eingeatmet haben, danach soll die Mutter das bewusstlose Kind zum Sterben in sein Bett gelegt haben.

Die Anklage wirft der in Göttingen lebenden Frau heimtückischen Mord vor. Sie sei mit dem verhaltensauffälligen Sohn Mario nicht mehr klargekommen. Er habe ihrer Lebensplanung im Wege gestanden, erklärte Staatsanwältin Anette Bargenda zu Prozessbeginn.

Der Prozess geht auf eine anonyme Strafanzeige aus dem Jahr 2009 zurück (Az.: 11 Ks 1/15). Zu DDR-Zeiten wurde die Mutter strafrechtlich nie belangt. Die Angeklagte hatte die Vorwürfe zu Beginn des Prozesses bestritten.

Ein Inspektor des damaligen Energieversorgers, der nach dem Tod des Jungen den Gasherd in der Plattenbauwohnung untersuchte, sagte, es sei zwar theoretisch denkbar, dass Gas über Stunden in der Küche ausgetreten und ins Kinderzimmer geströmt ist. „Was allerdings nicht passt, ist die im Blut des toten Jungen gefundene Kohlenmonoxid-Konzentration. 73 Prozent erreicht man nur, wenn man direkt an der Gasquelle dran ist und dann genügen wenige Atemzüge, bis man tot ist“, sagte er. Auch ein anderer technischer Sachverständiger schloss einen Unfall aus.

Am 10. Mai wird der Prozess fortgesetzt. Es sollen unter anderem Familienangehörige der Angeklagten und ein Rechtsmediziner gehört werden. Noch im Mai wird mit einem Urteil gerechnet. dpa

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