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Brandenburg: Klimaforscher fordern Kohleausstieg Landesregierung lasse sich von „kurzfristigen Partikularinteressen“ leiten. CO2-Ausstoß doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt

Potsdam - Der Klimawandel wird auch in Brandenburg spürbar werden, wenn auch nicht mit den katastrophalen Folgen, die andernorts zu ertragen seien. Das sagen die Forscher vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

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Potsdam - Der Klimawandel wird auch in Brandenburg spürbar werden, wenn auch nicht mit den katastrophalen Folgen, die andernorts zu ertragen seien. Das sagen die Forscher vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Professor Manfred Stock vom PIK redete am Donnerstag der Landesregierung ins Gewissen. Ihre Energiepolitik sei „ein Fleck auf ihrer weißen Weste“, sagte der Mann, der auch im Nachhaltigkeitsbeirat Brandenburgs sitzt.

Brandenburg sei, so Stock, mit seiner fortgesetzten Verstromung von Braunkohle in der Pflicht. Der CO2-Ausstoß in dem Bundesland liege doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt und entspreche dem des US-Bundesstaates Texas. Wer den Zusammenhang zwischen Klimawandel und dem fortgesetzten Einsatz von fossilen Brennstoffen leugne oder ignoriere, handle „interessengeleitet“, so Stock. Und er verwies darauf, dass „man mit Braunkohle eine Menge Geld machen kann“.

Stock sagte, es gebe nach wie vor viele Politiker, die sich von „kurzfristigen Partikularinteressen“ leiten ließen. Mehrfach habe das Institut das gesamte Kabinett in Potsdam darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Alternative zur bisher praktizierten Energiepolitik für notwendig halte. Bislang habe er keine Reaktion auf diese Forderung nach „einem Plan B – also dem geordneten Ausstieg aus der Braunkohleverbrennung“ feststellen können, sagte Stock. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sei „darauf nicht eingegangen“. Aus seiner Sicht gibt es „eine Reihe von Möglichkeiten“ für eine Neuausrichtung der Energiepolitik, die an den jüngsten Fortschritten beispielsweise bei den Speichermöglichkeiten von Energie oder der Nutzung von CO2 anknüpft. Die Pläne für die großvolumige Abspeicherung und Lagerung des Klimagases sind aus seiner Sicht zumindest für einen absehbaren Zeitraum in Deutschland gescheitert.

Das PIK verweist in seinen neuesten Studien noch einmal ausführlich auf die Risiken, die auch Brandenburg durch die globale Erwärmung drohen. Es werde mit einiger Sicherheit zu einer bislang unbekannten Häufung von extremen Wetterlagen kommen, vor allem in den Sommermonaten. Diese Extremsituationen seien dann vor allem schwere Gewitter mit starkem Hagel. Das Land sei schon immer geprägt gewesen von „Gewässerreichtum, aber Wasserarmut“ und werde noch stärker als bisher mit dem Wechsel von „Dürre und Flut“ leben müssen. Dazu gebe es beispielsweise Modellrechnungen zum Elbepegel in Havelberg, die bei insgesamt zurückgehenden Abflüssen starke Ausschläge nach oben ergeben hätten. Berechnungen von Versicherungsunternehmen und Klimaforschern gehen von einer Steigerung der durch den Klimawandel verursachten Schäden um bis zu 90 Prozent aus. Im Vergleich zu 1990 erwarten die Klimaforscher bis zum Jahr 2040 eine durchschnittliche Temperaturerhöhung im Land um die 1,5 Grad. Bis 2060 soll diese dann noch einmal um bis zu einem Grad ansteigen, wobei insbesondere der Süden und Osten des Landes betroffen sein würde. Diese Werte wurden allerdings auf Grundlage der als Zielvorstellung propagierten Beschränkung des weltweiten CO2-Ausstoßes errechnet. Sollte diese Begrenzung nicht erreicht werden, würde es zu deutlich höheren Werten kommen. Fast parallel zum Temperaturanstieg ist ein Rückgang der Regenmengen zu erwarten. Er kann bis zu zehn Prozent der derzeitigen Niederschlagszahlen ausmachen. Durch die mit steigenden Temperaturen zusätzliche Verdunstung wird der Rückgang bei der Wasserbilanz des Landes noch wesentlich deutlicher ausfallen. Es wird also wesentlich weniger Wasser beispielsweise für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehen.

Stefan Rahmsdorf, der ebenfalls am PIK forscht, erläuterte noch einmal die jüngsten Erkenntnisse zum Anstieg des Meeresspiegels als Folge der aus Sicht der Wissenschaftler inzwischen auch hinreichend durch Daten belegten Erwärmung. Es gebe keinen ernsthaften Zweifel daran, dass dieser global beobachtete Trend ursächlich mit der durch den Menschen verursachten Anreicherung der Atmosphäre durch das Klima-Gas CO2 zusammenhängt. Und die aus den neuesten Messdaten abgeleiteten Prognosen wiesen darauf hin, dass die Folgen noch wesentlich gravierender ausfallen könnten als bisher angenommen. Wenn der Meeresspiegel sich tatsächlich um über einen Meter erhöhen werde, würden nicht nur viele Inselstaaten im Pazifik verschwinden, sondern in praktisch allen Küstenregionen der Erde weitere Millionen von Menschen bedroht.

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