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Klimastress für Stadtbäume in Brandenburg: „Gießen macht nur Sinn, wenn Dürreperioden Ausnahmezeiten sind“
Seit Wochen lässt ausreichend Regen auf sich warten. Viele Kommunen müssen deshalb häufiger gießen. Doch ständige Bewässerung ist nicht der Sinn der Sache, sagen Umweltverbände.
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Michael Schmidt vom Betriebshof der Stadt Wittenberge (Landkreis Prignitz) gießt an diesem Vormittag mehrere Bäume in der Stadt. Es ist sonnig und warm, in den vergangenen Wochen hat es nur wenig geregnet. „Eigentlich benötigen wir das Fünffache an Niederschlag“, sagt der Baumpfleger. 50 bis 100 Liter Wasser bekommt jeder der dünnen Bäume, die entlang der Straße gepflanzt wurden. Über 170 Mal im Monat werden in der Stadt die Jungbäume sowie einzelne ältere Bäume gewässert.
Das Klima in Brandenburg verändert sich spürbar, wie durch Zahlen des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung deutlich wird. Seit Beginn der Wetteraufzeichnung im Jahr 1881 ist demnach die Jahresmitteltemperatur in der Mark um 1,5 Grad gestiegen. Überschritt das Thermometer zwischen 1961 und 1990 die 30-Grad-Marke noch sechsmal pro Jahr, wurden den Angaben zufolge im Zeitraum 1991 bis 2020 im Mittel jährlich elf solcher Hitzetage verzeichnet.
Durch die Trockenheit der vergangenen Jahre musste der Betriebshof in Wittenberge deutlich öfter zum Gießen ausrücken, sagt Schmidt. Rund 500 Bäume müssen in der ganzen Stadt regelmäßig bewässert werden. Nach rund drei bis fünf Jahren sind die Jungbäume angewachsen. Dann werden sie nur noch gegossen, wenn sie gelb werden oder schlecht aussehen.
500 Bäume müssen gegossen werden
Doch auch diese Regel gilt für den Betriebshof so nicht mehr, berichtet Werkleiter Andreas Grieswald. Mittlerweile gieße man in längeren Trockenphasen die Bäume bis zum zehnten Standjahr, da die Abgänge bei den Jungbäumen sonst viel höher wären.
Der Klimawandel mit langen Trockenphasen und höheren Temperaturen sorgt beim Wittenberger Betriebshof seit Jahren für Mehrarbeit. Durchschnittlich 500 Arbeitsstunden pro Jahr sind für das Gießen notwendig, rechnet Grieswald vor. Besonders in den Jahren 2019 und 2022 hätten die Mitarbeiter mit 1.550 beziehungsweise 1.400 Arbeitsstunden einen deutlich höheren Aufwand gehabt. Teilweise habe das dazu geführt, dass keine anderen Arbeiten in der Baumpflege mehr möglich gewesen seien. Durch die ständigen Gießeinsätze fehle es an Personalkapazitäten.
Für Axel Kruschat, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Brandenburg, ist das verstärkte Gießen ohnehin eher ein Tropfen auf den heißen Stein: „Solche Maßnahmen machen nur Sinn, wenn Dürreperioden Ausnahmezeiten sind. Das sind sie aber zunehmend nicht mehr.“ Ein Baum könne nur nachhaltig gedeihen, wenn er Kontakt zum Bodenwasser habe. Ständiges Bewässern von Jungbäumen führe dazu, dass diese kein ausreichendes Wurzelsystem ausbildeten, sondern vom Gießen abhängig würden.

© ZB/Bernd settnik
Bei längeren Trockenphasen könne das dazu führen, dass das Stadtgrün nur noch durch Bewässerung gehalten werden könne. „Das kann auch nicht Sinn der Sache sein.“
Doch nicht nur die Jungbäume sind durch die zunehmende Erderwärmung gefährdet. „Bei Altbäumen haben wir große Trockenheitsverluste, zum Beispiel bei Birken und Eichen“, sagt Felix Böttcher vom Wittenberger Bauamt. Verschwinden werden die traditionellen Arten aus dem Stadtbild aber nicht. Bei beiden Gattungen gebe es Arten, die besser mit dem Klimawandel zurechtkämen. Diese würden schon jetzt bei Neupflanzungen eingesetzt.
Die Prognose, welche Baum- und Straucharten besser mit dem Klimawandel zurechtkommen, sei schwierig, sagt Böttcher. Die Stadt orientiere sich bei Neupflanzungen an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wie beispielsweise der Klima-Arten-Matrix oder auch den Empfehlungen der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK). Sie empfiehlt etwa in Zusammenarbeit mit dem Bund deutscher Baumschulen (BdB) Feldahorn, Kornelkirsche oder die Blumenesche als Baumarten, die besonders resistent gegen Trockenheit sind.
Mehr Grün und Wasserspender für Wittenberge
Auch die Erfahrungen des Betriebshofs in Wittenberge fließen laut Böttcher in die Auswahl neuer Baumarten ein. Michael Schmidt setzt beispielsweise auf Amberbäume – die seien klimaresistenter und könnten besser mit der Trockenheit klarkommen.
Doch welche Baumarten tatsächlich mit den veränderten Bedingungen zurechtkommen, wisse man noch gar nicht genau, sagt auch BUND-Geschäftsführer Kruschat. „Man müsste den Grünflächen mehr Raum geben und schauen, was sich da entwickelt.“
Gerade in Zeiten des Klimawandels brauchen Städte also nicht weniger, sondern eher mehr Grün. Bäume und Sträucher sorgen für bessere Luft und regulieren die Temperatur sowie den Wasserhaushalt. In Wittenberge wird derzeit im Rahmen des Bundesprogramms „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ ein kompletter Grünzug überplant.
Dort pflanzt die Stadt neue Bäume und Sträucher, außerdem werden versiegelte Bereiche zu einer für die Bürger zugänglichen Grünanlage umgebaut. Zusätzlich werden laut Böttcher an zwei Plätzen Trinkwasserspender eingebaut, um vor allem an heißen Tagen kostenfrei Abkühlung zur Verfügung zu stellen.
Kruschat empfiehlt den Städten, vorhandenes Grün viel stärker in Planungsprozesse einzubeziehen und zu erhalten. „Was wir oft beobachten, ist, dass alles wegrasiert und neu geplant wird.“ Das sei aber überhaupt nicht mehr zeitgemäß.
Vielmehr würde es demnach darauf ankommen, Konzepte wie Schwammstädte umzusetzen, die Wasser speichern und erst verzögert wieder abgeben. Durch den Stopp von Flächenversiegelung könne sich zudem mehr Grundwasser ansammeln.
Erfahrungen aus Potsdam haben Kruschat zufolge gezeigt, dass bei Nachpflanzungen rund zwei Drittel der neuen Bäume eingehen. Man müsse also drei Jahre nachpflanzen, um überhaupt den Bestand zu erhalten.
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