Brandenburg: Kluft zwischen armen und reichen Kommunen wächst Studie: Gemeinden und Kreise fernab von Berlin müssen Etats immer stärker durch Kredite absichern
Gütersloh/Potsdam - Die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen in Brandenburg wird immer größer: Während die meisten Städte und Gemeinden im Umland von Berlin sich höchstens noch verschulden müssen, um neue Kitas zu bauen, können viele Kommunen auf dem Land ohne Kredite nicht mal mehr ihre Personalkosten bezahlen. Das zumindest ist das Ergebnis des aktuellen Kommunalen Finanzreports der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh, der am Dienstag vorgestellt wurde.
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Gütersloh/Potsdam - Die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen in Brandenburg wird immer größer: Während die meisten Städte und Gemeinden im Umland von Berlin sich höchstens noch verschulden müssen, um neue Kitas zu bauen, können viele Kommunen auf dem Land ohne Kredite nicht mal mehr ihre Personalkosten bezahlen. Das zumindest ist das Ergebnis des aktuellen Kommunalen Finanzreports der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh, der am Dienstag vorgestellt wurde. So sei zwar die Gesamtverschuldung der Kommunen im Land zwischen 2007 und 2011 um 130 Millionen Euro gesunken, die Summe der sogenannten Kassenkredite aber, die ausschließlich zur Deckung laufender Kosten aufgenommen werden, um fünf Prozent auf 794 Millionen Euro gestiegen – und das fast ausnahmslos in berlinfernen Regionen, heißt es in der Studie
„Hochdefizitär sind vor allem einige Landkreis-Haushalte, denn dort liegen in der Regel die ganzen Soziallasten“, sagte der Autor des Reports, René Geißler, den PNN. Die regionalen Unterschiede seien dabei dramatisch. „Ein gefährliches Niveau haben die Kassenkredite in den Landkreisen Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und Prignitz erreicht. In den Landkreisen Havelland, Oberhavel, Barnim und Dahme-Spreewald kommen Kassenkredite hingegen nicht vor“, so Geißler. Im Spree-Neiße-Kreis liegt die verschuldung mit Kassenkrediten pro Kopf der Studie zufolge bei 764 Euro, in Oberspreewald-Lausitz bei 435 und in der Prignitz bei 410 Euro. Besorgnis erregend sei die Lage auch in Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder), warnte Geißler. „Diese drei Städte tragen mehr als die Hälfte aller Kassenkredite im Land Brandenburg.“ Potsdam sei hingegen frei von Kassenkrediten. Auch der Landkreis Potsdam-Mittelmark stehe mit einer Verschuldung von nur 48 Euro pro Kopf noch recht gut da, sagte der Haushaltsexperte der Stiftung.
Nach Geißlers Einschätzung müssen die Kassenkredite der Städte, Gemeinden und Landkreise, denen keinerlei Mehrwert oder Investition gegenüberstehen, so schnell wie möglich abgebaut werden. „Für Gemeinden, die keine wirtschaftliche Basis haben und damit auch so gut wie keine keine Steuereinnahmen, deren Einwohnerzahl zudem schrumpft und die überdies hohe Soziallasten haben, ist die Lage aber fast ausweglos“, glaubt der Autor der Studie. Der demografische Wandel, das Auslaufen des Solidarpakts und sinkende Fördermittel der EU seien „gewaltige Herausforderungen“. Zudem ließen sich die erheblichen regionalen Unterschiede auch nicht durch den kommunalen Finanzausgleich aufheben. „Dafür hat Brandenburg einfach nicht die Kraft.“
Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, macht vor allem den Bund und das Land für die finanzielle Misere vieler Kommunen verantwortlich. „Wir sind auf der einen Seite unterfinanziert und bekommen auf der anderen immer neue Aufgaben aufgedrückt und keiner will sie bezahlen.“ So wirft Böttcher zum Beispiel wie berichtet der rot-roten Landesregierung Brandenburgs vor, die Kommunen und den Bund auf den Kosten für den Ausbau von Kita-Plätzen sitzenzulassen und sich Bundesmittel, die eigentlich als Betriebskostenzuschuss für die Städte und Gemeinden gedacht sind, in die eigene Tasche zu stecken. Brandenburgs Kommunen selbst hätten in der Vergangenenheit weitestgehend alle Sparmöglichkeiten ausgereizt. Potenzial sieht der Städtebundchef höchstens noch im Bereich der teilweise unterdurchschnittlichen Steuerhebesetze. Die einstige Hoffnung, ein niedriger Gewerbesteuersatz ziehe scharenweise Investoren an, habe sich ohnehin nur punktuell bewahrheitet, sagte Böttcher.
Stiftungsexperte Geißler plädiert vor allem für mehr Ehrlichkeit im Zusammenhang mit der Frage, was künftig noch finanziell tragfähig ist. „Jahrelang waren die Haushalte unter anderem wegen des Solidarpaktes üppig ausgestattet.“ Standards seien geschaffen worden, die sich „viele westdeutsche Kommunen wünschen würden“, gab Geißler zu bedenken. Manches, wie etwa asphaltierte Radwege in besonders entlegenen Gebieten, werden sich wohl in zehn Jahren kaum noch erhalten lassen, glaubt der Experte.
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