Brandenburg: Knapp die Hälfte schmeißt hin
Viele Azubis im Hotel- und Gaststättengewerbe brechen die Lehre vorzeitig ab. Oft werden Lehrlinge als billige Arbeitskräfte benutzt
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Potsdam - Brandenburger Gastronomen und Hoteliers laufen die Azubis weg. Angaben der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) zufolge schmeißen allein knapp die Hälfte aller Kochlehrlinge in Brandenburg ihre Ausbildung hin. Bei den Hotelfachleuten lösen 41 Prozent aller Lehrlinge ihre Verträge vorzeitig auf. René Kohl, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam, macht den Betrieben deshalb schwere Vorwürfe. „Die Branche hat große Fehler gemacht, sich nicht so um den Nachwuchs gekümmert, wie wir uns das vorstellen.“ Auch nach der Ausbildung seien viele ehemaligen Lehrlinge wegen der schlechten Bezahlung in einer prekären Lage, so der IHK-Chef. „Das rächt sich jetzt.“
Tatsächlich befindet sich die Zahl der Ausbildungsverträge in der Branche laut IHK auf einem Tiefststand. Waren es vor Jahren noch 1000, so seien es mittlerweile nur noch 370. „Das ist zu niedrig“, warnt Kohl. Allein bei den Köchen sind derzeit im Kammerbezirk Potsdam, also in Westbrandenburg, 112 Lehrstellen unbesetzt. 84 offene Ausbildungsplätze gibt es für Hotelfachleute und 70 für Restaurantfachleute. Zwar habe die Branche mittlerweile die Zeichen der Zeit erkannt, doch „das Umdenken kommt etwas spät“, meint der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Da muss man noch mal eine Schippe drauflegen.“ Längst stünden Hoteliers und Restaurantbetreiber bei der Suche nach geeigneten Bewerbern in Konkurrenz zu anderen Branchen, dabei sei der Anschluss aber verloren gegangen. Zu lange seien Azubis „als billige Arbeitskräfte benutzt“ worden. „Die jungen Leute gucken ja auch, wie werde ich behandelt“, mahnt René Kohl.
Der Mangel an Lehrstellenbewerbern und Fachkräften in der Gastronomie ist indes bereits seit Langem ein Thema. Schon 2009 bewerteten viele Betriebe die Situation als „extrem kritisch“. Der jüngsten Konjunkturumfrage des brandenburgischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga zufolge ist die Personalfrage das derzeit drittgrößte Problem – nach den steigenden Energiekosten und den allgemeinen Betriebskosten. Besonders betroffen sind laut Dehoga Die oftmals kleinen, familiengeführten Betriebe. Besonders in den ländlichen Regionen, fernab der touristischen Zentren, werde es immer schwieriger, geeignetes Fachpersonal zu finden, schätzt der Verband. Handlungsbedarf sehen die Betriebe aber offenbar vor allem seitens der Politik. Mit gut 15 Prozent halten zumindest die Gastronomen die Lösung des Fachkräfteproblems für die wichtigste politische Forderung.
Olaf Lücke, Dehoga-Hauptgeschäftsführer in Brandenburg, findet die Kritik der IHK ungerecht – wenngleich sich die hohen Abbrecherquoten auch mit den Berichten aus den Betrieben decken würden. Den Grund dafür sieht er vielmehr in der großen Kluft zwischen den Erwartungen der Lehrlinge und den tatsächlichen Anforderungen vieler Berufe im Tourismusgewerbe. Zudem würden wegen der demografischen Entwicklung mittlerweile selbst Banken nicht mehr nur noch Abiturienten einstellen. Damit werde es für eine Branche, die gegen ein schlechtes Image anzukämpfen habe, immer schwerer, geeignete Bewerber zu finden. Wochenendarbeitszeiten gehörten aber nun mal zur Branche und Koch sei einfach ein „harter Beruf“, so der Dehoga-Chef. Andererseits seien Jobs im Hotel- und Gaststättengewerbe auch Traumberufe. „Man kann schnell Verantwortung übernehmen und ist international gefragt“, sagt Lücke. Sollte es schwarze Schafe geben, die Lehrlinge ausnützen würden, sei es Sache der Kammern, die ja für die Ausbildung zuständig seien, denen die Ausbildungslizenz zu entziehen.
Schützenhilfe erhält Lücke vom Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesarbeitsagentur, Olaf Möller. „Sie können heute jeden x-beliebigen Fernsehsender anmachen und sie sehen eine Kochshow. Als junger Mensch kann man da schnell den Einruck gewinnen, ist ja alles ganz lustig und spannend - dann werde ich mal Koch“, meint Möller. Die Arbeitstaktung in einer Küche sei aber schon etwas besonders. „Da gehts auch im Ton nicht gerade zimperlich zu“, sagt Möller. Die hohen Abbrecherquoten seien aber weniger den Zuständen der Branche geschuldet als einer generell zu oberflächlichen Berufsorienteierung in der Region. „Da müssen wir uns auch selbst an die Nase fassen“, räumt Möller ein. Die Gastronomen müssten mehr auf die jungen Leute zuzugehen, Kooperationen mit Schulen schließen und Praktika anbieten. „Damit die Fallhöhe nachher nicht so hoch ist“, meit Olaf Möller.
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