Von Thorsten Metzner: Kohlestrom mit CCS statt Atomstrom?
Landesregierung ewartet eine verschärfte Debatte um Kohlepolitik und Kohlendioxid-Endlager
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Potsdam - Die Energiepolitik Brandenburgs steuert schneller als erwartet auf eine Grundsatzentscheidung zur Zukunft der Lausitzer Braunkohle zu. Nach PNN-Recherchen stellen sich das von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte Kabinett und die rot-rote Koalition schon darauf ein, dass sich als Konsequenz aus dem absehbar schnelleren Atomausstieg Deutschlands nach dem Japan-Gau die Auseinandersetzung um die sogenannte CCS-Technologie verschärft, mit der die einheimischen Braunkohlekraftwerke „klimafreundlich“ werden sollen. Für die würden ähnlich wie bei der Kernkraft hochumstrittene unterirdische Endlager, nämlich für Kohlendioxid, benötigt, deren Sicherheit ungeklärt ist. In wenigen Monaten will Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) die neue Energiestrategie „Brandenburg 2030“ präsentieren, mit der die Regierung Farbe bekennen muss.
„Die Debatte wird völlig neu aufgemacht“, sagt nun etwa Linke-Landeschef Thomas Nord. Einerseits sei es „möglicherweise weniger schädlich Kohle zu verstromen als Atomenergie“. Anderseits „ist es langfristig keine Lösung, eine Risikotechnologie durch eine andere zu ersetzen“. Dagegen plädierte SPD-Vizefraktionschefin Martina Gregor-Ness dafür, gerade jetzt als Alternative zu Atomstrom neben erneuerbaren Energien, wo Brandenburg „Musterländle“ sei, langfristig auf die Kohle zu setzen: „Wenn es um Versorgungssicherheit geht, auf allen Ebenen, dann kann man nun zu dem Punkt kommen: An Kohle führt kein Weg vorbei, so umweltverträglich wie möglich.“
Am heutigen Dienstag wird sich unter „Aktuelles“ das Kabinett, das den Bund zum Atomausstieg drängt und mit anderen Ländern gegen die Laufzeitverlängerung klagte, anderseits jedoch bislang auf die vom Vattenfall-Konzern betriebene Entwicklung von CCS-Kraftwerken setzt, mit dem brisanten Energiethema befassen. Und die SPD beantragte für die Landtagssitzung nächste Woche eine Aktuelle Stunde „zur Energiepolitik in Deutschland und Brandenburg“. Einig sind sich SPD, Linke, aber auch die Grüne-Opposition hingegen, dass Brandenburg den Ausbau erneuerbarer Energien, bei dem das Land nach Studien im Auftrag des Bundes Vorreiter in Deutschland ist, forcieren sollte. Zwar gibt es auch gegen Wind- und Solarparks, von denen nirgendwo so viele entstehen wie in der Mark, überall Proteste. Doch die Kohle–Frage, die nun mit neuer Wucht auf die Agenda der hiesigen Politik gerät, hat eine andere Dimension. Es geht darum, ob man nun gerade auf die sogenannte CCS-Technologie setzen muss, um die Verstromung der Kohle für den „Energiemix“ langfristig zu sichern – oder ob wegen der unterirdischen, mit Risiken verbundenen Kohlendioxid-Endlager der CCS-Kurs gestoppt werden sollte. Die Bürgerinitiativen in Ostbrandenburg, wo die ersten geplant sind, ziehen längst Parallelen zwischen CCS und Atom. „Beide brauchen Endlager, beide sind riskant, es ist dieselbe Denke“, sagt auch der Linke-Landtagsabgeordnete Peer Jürgens, Kreischef in Oder-Spree, wo die ersten Kohlendioxid-Lager erkundet werden sollen. Das Energiekonzept der Landesregierung müsse „sehr konkrete Antworten“ geben, auch auf Fragen, wie „es um Gefährdungen durch CCS steht“. Für Umweltministerin Anita Tack ist klar, „dass erneuerbare Energien Vorrang haben müssen“. Tack bekräftigte die Kabinettslinie zur CCS-Technologie, die bislang vom Bund geplante „Lex Brandenburg“ abzulehnen, also Ländern keine Ausstiegsklauseln zu ermöglichen. Brandenburg ist das einzige Land, das auf CCS setzt. „Wenn CCS zum Tragen kommt, dann nur über ein bundeseinheitliches Gesetz.“ Anderseits rechnet Tack damit, dass es eine „Zuspitzung“ der CCS-Debatte geben wird, dass die Akzeptanz etwa für unterirdische Kohlendioxid-Lagerstätten weiter abnimmt: „Die Ängste wachsen, die kann man nicht einfach beschwichtigen“. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher formulierte dagegen sibyllinisch: „Für eine Übergangszeit benötigen wir auch unsere heimische Braunkohle zur Grundlastversorgung.“ Für Grünen-Fraktionschef Axel Vogel ist Braunkohle ein Auslaufmodell. „CCS ist keine Lösung, sondern ein neues Problem.“ Er kritisierte, dass Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nun zur CCS-Technologie drängt, die der Bund wegen des AKW-Kurses bislang links liegen ließ. Vogel: „Man treibt den Teufel nicht mit dem Beelzebub aus.“
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