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Brandenburg: Konfuzius und Schriftzeichen für Neunjährige

Wie die 78-jährige Helga Scherner in Schöneiche Hortkindern Chinesisch beibringt

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Schöneiche - Das Wasser ist weich und die Steine hart – und trotzdem wird der Stein im Fluss abgeschliffen. „Nicht nur Schrift und Wort sind wichtig, wenn man eine Sprache lernt“, sagt Helga Scherner. Kultur, Geschichte und Philosophie gehören ebenso dazu. Ob die drei Drittklässler, die mit der 78-Jährigen an einem Tisch zusammen sitzen das verstanden haben? Gespannt zuhören tun sie allemal, wenn Helga Scherner von dem Land berichtet, das auf der gegenüber liegenden Seite des Globus liegt.

Einmal pro Woche kommt die rüstige Pensionärin den rund zwei Kilometer langen Weg von ihrem Haus zur Bürgel-Gesamtschule gelaufen. Jeden Dienstag bringt sie, wenn alle anderen Kinder im Hort spielen oder schon zu Hause sind, den Neunjährigen Melvin, Christoph und Eric Chinesisch bei.

Erst sechs Mal hat sie mit den drei Jungs zusammen geübt, die nach eigenen Angaben viel Spaß daran haben. Jetzt sollen sie schon anfangen, erste Sätze zu formen. „Es ist schon toll, eine ganz andere Sprache zu können“, sagt Christoph und malt mit Kreide die Schriftzeichen für seinen Namen an die Tafel. „Alle drei sind sehr wissbegierig, bestätigt Scherner, die so ziemlich die einzige im Land Brandenburg zu sein scheint, die Hortkindern Chinesisch beibringt. Den Informationen des Bildungsministeriums zufolge wird lediglich am Schillergymnasium in Potsdam, einer Privatschule, die exotische Sprache unterrichtet.

Helga Scherner kann man getrost als China-Expertin bezeichnen. Sie hat in den 50er Jahren Sinologie in dem Land studiert, später Jahre dort zugebracht um in einem Verlag zu arbeiten. Seit jeher fährt sie zusammen mit ihrem Mann in unregelmäßigen Abständen ins Reich der Mitte. „Zuletzt haben wir 1998 von Hongkong aus eine große China-Rundreise durch das Land gemacht“, sagt die Seniorin.

Die Idee zu dem Unterricht stammt nicht von Helga Scherner. Die Direktorin der Schule Sabine Stascheit hatte sie angesprochen, ob sie nicht eine Arbeitsgruppe Chinesisch leiten könnte. Scherner fand die Idee gut und fing an. Die Eltern der drei Jungs, mit denen sie jeden Dienstag zusammen sitzt, geben ihr einen kleinen Obolus für die Mühe.

Doch augenscheinlich macht die Rentnerin den Job nicht nur für das Geld, wie in ihren Augen zu lesen ist.Mit Witz, Elan und Verständnis bringt sie ihren drei Schützlingen Weisheiten von Konfuzius, Legenden von Laozi bei oder liest chinesische Märchen vor, bevor die Schüler chinesische Schriftzeichen an die Tafel malen. Ihrer Meinung nach ist Chinesisch zu lernen nicht unbedingt schwieriger als Englisch, sagt Helga Scherner. Vor allem in diesem Alter, wenn die Kinder die deutsche Schrift schon beherrschen, sei es relativ einfach. „Na klar müssen sie sich mit fremden Tönen und Schriftzeichen quälen“, sagt Scherner. Allein das Wort „Ma“ bedeute je nach Intonation Pferd, Mama, Hanf oder Schimpfen. Und dass die Zeichen, wie zu Tuschpinselzeiten, nur von oben nach unten sowie links nach rechts gemalt werden dürfen – das seien Reglementierungen, die die Schüler nicht gewöhnt sind. Dafür sei die Grammatik leichter, sagt Scherner. Chinesische Verben müssten nicht gebeugt werden. „Und Der-die-das gibt es auch nicht.“

Nach Meinung von Helga Scherner werde es immer wichtiger, die Sprache des aufstrebenden Landes zu kennen. Nicht nur weil es wirtschaftlich immer bedeutender wird. „Wer sich in diesem Alter mit einer völlig fremden Sprach-Struktur befasst, erweitert seinen Horizont und hat es später leichter, auch Japanisch oder Arabisch zu lernen“, ist Scherner überzeugt.

Andreas Wilhelm

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