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Brandenburg: Kontroverse um Unterschichten

DGB: „Hartz IV“ hat Problem verschärft / Platzeck: Ostdeutsche Gesellschaft seit langem gespalten

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Potsdam - Die Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zur neuen gesellschaftlichen Unterschicht hat auch in Brandenburg eine kontroverse Debatte über die Ursachen ausgelöst. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) widersprach gestern Auffassungen, Armut und soziale Ausgrenzung seien Ergebnisse der Politik von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Er sagte, im Osten Deutschlands sei die Gesellschaft bereits seit Mitte der 90er Jahre gespalten. Für diesen „schlimmen Befund“ hätte es aber der Gesellschaftsstudie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) nicht bedurft.

Laut der Studie zählen zum „abgehängten Prekariat“ 20 Prozent der Ost- und vier Prozent der Westdeutschen. Zuvor hatte schon SPD-Chef Kurt Beck eine wachsende Unterschicht als zunehmendes Problem für Deutschland bezeichnet.

Auf einer Veranstaltung des DGB in Potsdam betonte Platzeck, den Begriff „Unterschicht“ verwende er nicht, weil dieser zu stark stigmatisiere. Die gesellschaftliche Spaltung in den neuen Bundesländern sei allerdings „mit den Händen zu greifen“. Die Brandenburger Landespolitik habe das Problem jedoch bereits vor Jahren erkannt und steuere seitdem mit Maßnahmen gegen das drohende Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Dazu zählten unter anderem Verbesserungen in der Bildungspolitik sowie das Umsteuern bei der Wirtschaftsförderung zugunsten von Wachstumskernen und Zukunftsbranchen. Nach Auffassung des Vorsitzenden des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg, Dieter Scholz, hat das Reformgesetz „Hartz IV“ die Lage jedoch zumindest verschärft. Als Ursache für öffentliche Armut und soziale Spaltung sieht Scholz die Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte, die Wirtschaft und Politik in den 70er Jahren zugelassen hätten. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Stefan Hilsberg aus Brandenburg, hatte die Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Vorgängerregierung zuvor als „Lebenslüge“ gewertet. „Wir haben den Menschen vorgegaukelt, dass mit Fordern und Fördern jeder den ersten Arbeitsmarkt erreichen kann.“ Für Millionen Menschen sei das jedoch nicht die Realität. Der Landesvorsitzende der Linkspartei.PDS, Thomas Nord, sagte gestern, die Aussage Hilsbergs sei ein „bemerkenswerter Erkenntniszuwachs“ bei der SPD. Es sei schon überraschend, dass den Sozialdemokraten erst jetzt auffalle, dass die Politik der Agenda 2010 zur Herausbildung einer neuen Unterschicht in Deutschland beigetragen habe. Nord forderte zugleich einen Politikwechsel für mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Die schwarz-rote Bundesregierung lasse dies bislang aber nicht erkennen. ddp

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