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Brandenburg: Kreise zum Rechtsbruch angestiftet

Enteignungen könnten strafrechtliche Folgen haben / Ermittlungen werden wahrscheinlicher

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Potsdam - In Brandenburg verdichten sich Hinweise, dass die Enteignungs-Affäre zum Fall für die Strafjustiz werden kann. Sprengstoff bieten nach Recherchen dieser Zeitung insbesondere die so genannten „Freistellungserklärungen“, mit deren Hilfe die Regierung damals Landräte in Brandenburgischen Kreisen bei der unrechtmäßigen Landnahme auf Kurs brachte. Dieser Überzeugung sind Rechtsexperten nach der Sichtung von Dokumenten. In diesen Schreiben seien die mutmaßlichen Straftatbestände detailliert beschrieben, so deren Bewertung. Dadurch könnte die Landnahme strafrechtlich als „gemeinschaftliche Veruntreuung“ gewertet werden, wobei das Land sich der „Anstiftung“ und die Landkreise der „Beihilfe“ schuldig gemacht haben könnten. Das Strafmaß betrage fünf Jahre Haft oder Geldbußen. Wie berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Vorprüfungen eingeleitet, die noch andauern.

Worum geht es genau: Das Finanzministerium hatte in den zumeist vom 19.Mai 2000 datierten „Freistellungserklärungen“ die Landkreise von allen Risiken freigestellt, damit diese das Land Brandenburg als Eigentümer in die Grundbücher bis dahin nicht gefundener Neubauern-Erben von Bodenreformgrundstücken eintragen ließen. In den Freistellungserklärungen heißt es wörtlich, dass die Landräte von Ansprüchen freigestellt werden, „insbesondere wegen mangelnder Nachprüfung des berechtigten Interesses des Antragstellers im Einzelfall und unzureichender Eigentümerermittlungen“. Dies sei eine „Anweisung zum rechtswidrigen Handeln“, sagt der renommierte Verwaltungsrechtler Ulrich Battis dieser Zeitung. Das Land habe damit seine Amtspflichten, seine Treuhänder-Pflichten zur Vermögensfürsorge verletzt, was auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil festgestellt habe. Und nicht nur das. „Das kann Anstiftung zur Untreue von Seiten des Landes sein“, sagt auch Prof. Bernd Heinrich, renommierter Strafrechtler an der Humboldt-Universität. Wenn der Treuhänder einen solchen Auftrag ausführe, entbinde ihn dies nicht von seinen Pflichten – dies könne „Untreue“ sein, so Heinrich. „Wenn er gutgläubig war, hilft ihm das nicht“.

Für den Potsdamer Anwalt Thorsten Purps belegen „die Freistellungserklärungen, wie Finanzministerium und Landräte bei den unrechtmäßigen Enteignungen zusammengewirkt haben, um die Interessen von Neusiedlererben auszuschalten“. Das Vorgehen sei deshalb „skandalös“, weil die Landräte die Landnahme verhindern konnten. Als Genehmigungsbehörden hätten sie dem unrechtmäßigen Vorgehen des Landes eigentlich einen Riegel vorschieben müssen. Dies hatte jedoch nur der Landkreis Teltow-Fläming getan. Diese Einschätzung teilt auch der Direktor des Cottbusser Amtsgerichtes: Bei der Beurkundung der Verträge hätten die Landräte eine Prüfungspflicht, sagte er. Doch sie und andere Beteiligte hätten „nicht kritisch genug hingesehen“, so Wolfgang Rupieper.

Durch die Freistellungserklärungen aus Potsdam waren Purps zufolge die Landräte „von den Risiken des unrechtmäßigen Enteignungen freigekauft“ worden. Dabei machten die Juristen ganze Arbeit: Sie beschrieben präzise die Verfahrensfehler, die einige Jahre später vom Brandenburgischen Oberlandesgericht und vom Bundesgerichtshof scharf verurteilt wurden. „Mit dieser Passage deklinieren die Verfasser die Pflichtverstöße durch, ohne die Potsdam nie als Eigentümer in die Grundbücher gelangt wäre“, sagt Purps. Denn in rund 10000 Fällen hatte Potsdam sich so als Eigentümer in den Grundbüchern vormerken lassen, in rund 6700 Fällen wurde dies später endgültig vollzogen. Die Landnahme wurde offenkundig durchgesetzt, ohne zuvor ausreichend nach den früheren Grundeigentümern geforscht zu haben - was das Finanzministerium bis heute strikt zurückweist. Wie dessen Sprecher Ingo Decker sagte, entsprachen die Freistellungen der Logik des damaligen Vorgehens. Man sei davon ausgegangen, „im Rahmen der geltenden Rechtslage legitime Ansprüche des Landes durchzusetzen“, so Decker. „Nach dem Urteil des BGH ist klar: Das Land hätte überhaupt keine Ansprüche durchsetzen dürfen, wenn Erben nicht bekannt waren.“

Die mutmaßlichen Straftaten sind nach Überzeugung von Purps auch nicht verjährt: „Viele Genehmigungen zu unrechtmäßigen Eintragungen von Potsdam in die Grundbücher wurden im Jahr 2001 oder später erteilt“, sagt er. Im Jahr 2006 erstattete der Rechtsanwalt im Auftrag eines großen Interessenverbandes Strafanzeige wegen der mutmaßlich kriminellen Handlungen. „Durch die Strafanzeige wurde die Verjährungsfrist unterbrochen“, sagt er.

Der Rechtsanwalt misst deshalb den noch andauernden Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft große Bedeutung zu. Es müsse schließlich „eine konkrete Person oder einen Stab gegeben haben, der dieses ganze Verfahren geplant und in Gang gesetzt hat“. Und diese müssten auch wegen des eingetretenen Schadens zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Staatsanwaltschaft hat letzte Woche ihr Aktenstudium im Finanzministerium beendet. Ab Dienstag ziehen zwei Staatsanwälte im Innenministerium ein, wie Sprecher Helmut Lange sagte. Wann die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob ein förmliches Ermittlungsverfahren aufgenommen wird, ist offen.

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