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Brandenburg: Kriminalisten beklagen Personalnot

Die Statistik zeigt einen Rückgang der Straftaten. Der Bund der Kriminalbeamten hält dagegen und sieht Sicherheitsgefahren

Stand:

Potsdam - Auch wenn Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) erneut einen Rückgang der Kriminalität im Land Brandenburg verkünden konnte – der Kriminalpolizei geht die Puste aus. Das sagte der Landesvorsitzende beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Riccardo Nemitz, den PNN. Denn trotz des Rückgangs stiegen die Anforderungen an die Polizei. Zudem zeige ein Blick in die Statistik, dass der Rückgang bei den Straftaten vor allem aus einem starken Rückgang bei den Diebstählen resultiere. Beim Rest der Straftaten, bei dem tiefere Ermittlungen nötig sind, ist die Zahl über die Jahre fast gleichbleibend. Es gibt einen stabilen Sockel von Delikten wie Raub, Gewalt, Betrug und Wirtschaftsdelikten. „Der Rückgang insgesamt ist nicht gleichbedeutend mit einem Rückgang der Belastung der Kriminalpolizei“, sagte Nemitz.

Insbesondere bei der inneren Sicherheit – also der Kernaufgabe mit der Abwehr von extremistischen und staatsgefährdenden Taten – wachsen die Aufgaben. Nicht erst durch die Terrorgefahr und die Herausforderungen durch die gestiegene Zahl von Flüchtlingen. Doch mit der inzwischen teils zurückgenommenen Polizeireform von 2011 war die Zahl der Staatsschutzbeamten zunächst um 42 Prozent von 235 auf 139 gesenkt werden. Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke steuerte leicht dagegen mit 40 Stellen. Nötig sei allerdings mindestens die Rückkehr zur alten Personalstärke beim Staatsschutz. Denn seit 2011 sei die Zahl der rechtsmotivierten Gewalttaten um 250 Prozent gestiegen, sagte Nemitz.

Auch insgesamt sei bei der Kriminalpolizei seit 2012 vier Prozent des Personals eingespart worden. Parallel stieg die Zahl der durchschnittlichen Krankheitstage von 33 im Jahr 2012 auf 38 im Jahr 2015. Hinzu komme ein massiver Verlust an Wissen, weil immer mehr Beamte in Pension gingen. Die Zahl der Altersabgänge steigt in den kommenden Jahren. Der Altersdurchschnitt bei der Kriminalpolizei sei um fünf Prozent höher als beim Rest der Polizei. Bisher habe die Kripo einen Anteil von 27 Prozent an der gesamten Polizei, nötig seien 30 Prozent. Deshalb forderte Nemitz eine Verjüngungskur, Brandenburg müsse von der Einheitsausbildung bei der Polizei abrücken und in die Spezialausbildung von Kriminalisten einsteigen.

„Die Strafverfolgung in Brandenburg ist über Jahre vernachlässigt worden“, sagte Nemitz. Bestimmte Anzeigen zur Alltagskriminalität würden gar nicht mehr näher geprüft. Etwa beim Fahrraddiebstahl. Wenn eine Anzeige keine heiße Spur hergebe, würde das Verfahren in mehr als 40 Prozent der Fälle schnell wieder eingestellt. Vernehmungen würden im Akkord durchgeführt. Bei einfachen Fällen werde nicht einmal mit den Betroffenen gesprochen oder vor Ort ermittelt, um mögliche Zeugen zu finden oder Zusammenhänge zu anderen Fällen etwa Serien von Straftaten herzustellen. Bei den Wohnungseinbrüchen – immerhin mehr als zehn pro Tag im Land – gebe es Engpässe bei den Kriminaltechnikern, um die Spuren an den Tatorten zu erfassen. Nach Untersuchungen aus anderen Bundesländern käme es nur in drei Prozent der Fälle zu einer Verurteilung der Täter. Und der angebliche Rückgang der Drogenkriminalität im Land ist für Nemitz etwas anderes: Es handelt sich um ein Kontrolldelikt, es sei 2016 einfach weniger kontrolliert worden von der Polizei. Nemitz’ Bilanz: Kriminalitätsbekämpfung finde in der Breite nur eingeschränkt statt. Die innere Sicherheit werde nicht mehr im nötigen Maß gewährleistet.

nbsp;Alexander Fröhlich

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