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Brandenburg: Kritik am Umgang mit jungen Flüchtlingen Verband: Brandenburg ignoriert Recht auf Jugendhilfe bei minderjährigen Asylsuchenden

Potsdam - Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der pauschalen Altersfestlegung bei jungen Asylsuchenden durch Brandenburgs Ausländerbehörde prangert der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (BUMF) grundsätzlich den Umgang mit noch nicht volljährigen Einwanderern im Land an. Nach wie vor würden 16- bis 17-Jährige zusammen mit Erwachsenen und ohne geschulten Ansprechpartner und Vormund in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, statt sie den Jugendämtern zu übergeben und sie angemessen unterzubringen.

Von Matthias Matern

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Potsdam - Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der pauschalen Altersfestlegung bei jungen Asylsuchenden durch Brandenburgs Ausländerbehörde prangert der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (BUMF) grundsätzlich den Umgang mit noch nicht volljährigen Einwanderern im Land an. Nach wie vor würden 16- bis 17-Jährige zusammen mit Erwachsenen und ohne geschulten Ansprechpartner und Vormund in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, statt sie den Jugendämtern zu übergeben und sie angemessen unterzubringen. Landesweit stehe mit dem Jugendprojekt „Alreju“ in Fürstenwalde (Oder-Spree) nur eine solche Einrichtung zur Unterbringung zur Verfügung. „Brandenburg macht es sich schon sehr leicht. Es herrscht eine grundlegende Sorglosigkeit“, kritisierte BUMF-Referent Niels Espenhorst am Donnerstag.

Wie berichtet erheben 14 junge Somalier schwere Vorfwürfe gegen die Ausländerbehörde Brandenburgs. Obwohl einige Geburtsurkunden hätten vorlegen können, die sie als Minderjährige ausweisen, habe die Behörde ihnen Ausweise ausgestellt, die sie zu Volljährigen erklärt, so die Kritik. Damit haben sie keinen Anspruch mehr auf einen Platz in einer Jugendhilfeeinrichtung wie dem ausgelasteten „Alreju“, wo sie in Wohngruppen mit je zwei Pädagogen untergebracht werden, ihnen unter anderem Freizeitangebote zur Verfügung stehen und ihnen die Kontaktaufnahme zu Verwandten in der Heimat ermöglicht wird. Vor allem aber verlieren sie als Volljährige ihren Schutz vor der Abschiebung. Das brandenburgische Innenministerium hatte bereits am Dienstag die Vorwürfe bestritten und angeführt, die meisten der Flüchtlinge seien aus anderen Bundesländern wie Hamburg und Bayern nach Brandenburg gekommen und man habe die Alterangaben nur übernommen. Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) hatte dennoch eine Untersuchung angeordnet. Am heutigen Freitag wollen die Grünen im Landtag die Fälle ansprechen.

Der BUMF und andere Organisationen werfen vielen Bundesländern vor, bewusst mit dem Alter zu tricksen, um Geld bei der Unterbringung zu sparen und eine Abschiebung zu ermöglichen. Dass in Brandenburg getrickst wurde, scheint unwahrscheinlich, weil nach Espenhorsts Darstellung 16- bis 17-jährige Flüchtlinge – immerhin rund zwei Drittel aller minderjähriger Asylsuchender ohne Eltern – ohnehin in der Regel nicht in die Obhut der Jugendämter übergeben, sondern direkt in die Gemeinschaftsunterkünfte geschickt werden. Eine Praxis, die lange auch in anderen Bundesländern üblich war und oft mit Verweis auf die UN-Kinderrechtskonvention kritisiert wurde. Die Behörden aber hatten sich darauf gestützt, dass man laut Asylrecht mit vollendetem 16. Lebensjahr als voll handlungsfähig gilt. Mittlerweile hätten viele Länder diese Praxis geändert, Brandenburg als eines von wenigen nicht, kristierte Espenhorst am Donnerstag. „Die Handlungsfähigkeit bezieht sich ausschließlich auf das Asylrecht. Das eine schließt das andere nicht aus. Im Gegenteil. Jugendliche, die ein Asylverfahren durchlaufen, haben erst recht Jugendhilfebedarf“, betont der BUMF-Referent.

Reformbedarf wurde auch in Brandenburg bereits festgestellt. In einem Bericht an die Landesregierung hieß es 2011, „die AG gelangt zu der Einschätzung, dass bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen regelmäßig ein Jugendhilfebedarf festgestellt werden sollte, da eine besondere Schutzbedürftigkeit zwangsläufig vorliegt“. Aber: „Die Gewährung eines unterhalb von stationärer Jugendhilfe in Alreju angesiedelten Jugendhilfebedarfs gestaltet sich in der Praxis als schwierig“.

Espenhorst wirft Brandenburg „fehlendes Bewusstsein“ vor. Das Argument, es sei kein Geld da, lässt er nicht gelten. „Es handelt sich um Grundrechte, da könnte man ja auch Schulen ersatzlos abschaffen. Zum anderen bleiben die Kosten gar nicht bei der Kommune oder dem Land hängen, sondern werden vom Bund übernommen“, so der Aktivist. Matthias Matern

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