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Brandenburg: Kulinarisches Glück unter freiem Himmel

Safrangraupen oder Rinderzunge, mediterrane Klassiker oder regionale Rezepte – Hotels und Restaurants in Brandenburg können viele Vorlieben bedienen. Mit unserem gastronomischen Wegweiser finden auch anspruchsvolle Esser ihre Lieblingsziele

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Vom Klimawandel kann Brandenburg nur profitieren, und seine Gastronomen erst recht. Die Terrassensaison 2007 ist längst in vollem Gang, und mit Ausnahme einiger Gewitterphasen dürften selten so viele Gäste in der Berliner Umgebung beglückt unter freiem Himmel gesessen haben. Gegessen haben sie vermutlich meist auch – und dabei oft erfahren, dass Grünlage und schöner Blick nicht unbedingt ein Indiz für gutes Essen sind. Sicherer gehen Sie mit unseren aktuellen Tipps für den Wochenendausflug .

Brandenburg ist, theoretisch, eine Urlaubslandschaft – die Leute wissen es nur nicht. Und deshalb sind neue Hotel- und Restaurantprojekte eine Rarität; wenn mal ein Besitzer einen Tagungsraum ausbaut, ist das schon der Gipfel unternehmerischen Wagemuts. Bemerkenswert ist es daher, dass nicht einmal der Sparkassenverband als Eigentümer des Schlosshotels Neuhardenberg genug Atem hat, rund ums Jahr ein gehobenes Restaurant zu installieren. Immerhin ist es gelungen, neben der rustikalen, preisgünstigen „Brennerei“ in den historischen Räumen ein A-la-Carte-Restaurant namens Kleine Orangerie zu eröffnen, das von Mittwoch bis Sonntag edle mediterrane Kost offeriert, nur abends und vorerst bis Oktober. Die Anreise lohnt, schon, um Park und Schloss zu bewundern – telefonische Nachfrage ist aber sehr ratsam.

In Schloss Hubertushöhe, dem edlen Jagdhaus über dem Storkower See, hat sich nach einer längeren Phase der Stabilität wieder ein neuer Küchenchef, Ralph Knebel, einarbeiten müssen. Ich hatte noch keine Gelegenheit zu einer Kostprobe, traue dem ehemaligen Sous-Chef im Münchener Königshof aber allerhand zu, seine sehr neofranzösische Speisekarte liest sich interessant. Ebenfalls schon fast ein Klassiker, ebenfalls mit neuem Küchenchef: Die Alte Schule in Reichenwalde. Das Essen im alten Klassenraum, bislang bekannt für gradlinige französische Klassiker zu günstigen Preisen, ist ein wenig ambitionierter und ein wenig teurer geworden, bleibt aber unverändert empfehlenswert.

In Bad Saarow zeigt das Schicksal des Restaurants „Aroma“ im Arosa-Resort Scharmützelsee, wie schwer es vor allem die Großen mit der Gastronomie im Berliner Umland haben: Es wurde geräuschlos versenkt. Ein Winzling ist in die Lücke gesprungen und berechtigt zu schönen Hoffnungen: Die Villa Contessa in Bad Saarow, die als „Deutschlands kleinstes Luxushotel“ firmiert. Die mit echten und falschen Rosen zum Bersten überladene Inneneinrichtung ist, sagen wir, fragwürdig. Keinen Zweifel gibt es aber daran, dass Enrico Schreier einer der besten Köche der Region ist. Nach schwankenden Anfängen hat er ein zweigeteiltes Konzept auf hohem Niveau etabliert: mittags gibt es italienische Klassiker, abends mediterrane Edelküche, beispielsweise Lammrücken und Lammschulter mit einer Lasagne von grünen Bohnen und Pimientos, Spargel mit Gamba-Terrine und Safrangelee oder einen Kuchen von Valrhona-Schokolade auf eingelegten Mangos mit Honig-Ingwer-Eis. Leider: Trüffelöl-Feinde müssen die Küche rechtzeitig um Unterlassung bitten, damit sie das Essen auf der wohl schönsten Seeterrasse im Lande genießen können.

Naheliegend, auch gleich zu übernachten. Dafür bieten sich neben der Villa Contessa das ebenfalls schön gelegene, stilistisch ähnlich überfrachtete Palais am See oder das etwas sterile Esplanade an, das weniger mit seiner angestrengt weltläufigen Küche als mit einem umfangreichem Wellness-Angebot punktet.

Wellness ist auch das Stichwort, mit dem das Hotel zur Bleiche in Burg im Spreewald bekanntlich jeden internationalen Vergleich besteht. Sein Gourmet-Restaurant 17fuffzig ist zweifelsfrei das beste in Brandenburg, schon deshalb, weil sich Küchenchef Oliver Heilmeyer intensiv um regionale Erzeuger und regionale Traditionen bemüht – sofern er nicht gleich im eigenen Gemüse- und Kräutergarten erntet. Das Resultat ist eine durchdachte, hochmoderne Edelküche, die sich ständig wandelt und gegenwärtig vor allem mit puristischen Kompositionen wie dem pochierten Ei auf Kartoffel-Rosmarinbrot und Haselnusssauce oder einem gelierten Kräuterfonds mit Fischen und Safrangraupen glänzt. Sommelier Oliver Westphal schöpft aus einem Weinkeller mit über 400 Abfüllungen, seine Spezialität sind die ostdeutschen Winzer, die er in einer einzigartigen Auswahl präsentiert.

Die Übernachtung in der „Bleiche“ ist bekanntermaßen kostspielig. Die Besitzerfamilie Clausing bietet neuerdings eine Alternative: das Hotel zur Linde mitten in Burg, wo soeben 16 ländlich-elegante Zimmer fertig geworden sind, ideal zum Beispiel für Radler oder Kanufahrer, die das umfassende Angebot der „Bleiche“ nicht nutzen wollen. Selbstverständlich: Feine Spreewaldküche unter Heilmeyers Aufsicht, schöner Biergarten.

Zwischen Scharmützelsee und Spreewald gibt es noch mehr ehrgeizige Köche, die allerdings längst nicht auf dem gleichen hohen Niveau arbeiten. Zu nennen wäre der noble Vierseithof mitten in Luckenwalde und Schloss Lübbenau, wo die Küche meist mehr will, als sie kann; bescheidener sind die Ambitionen in der hübschen Gasthausbrauerei Am grünen Strand der Spree in Schlepzig, wo es feingemachte rustikale Gerichte beachtlicher Qualität gibt.

Ihnen weit voraus ist Frank Schreiber, der Juniorchef im famosen Goldenen Hahn in Finsterwalde. Hier fehlt es zwar am entscheidenden Sommer-Anreise-Argument, nämlich der schön gelegenen Terrasse. Doch auch im bescheidenen Innenhof oder dem feinbürgerlichen Gastraum merkt der sonnenhungrigste Gast rasch, dass die elegante, filigran ausgestaltete Küche Schreibers die weiteste Anfahrt lohnt, zumal ein wunderbares DreiGang-Menü – z.B.Terrine von Zander und Garnelen, Rinderzunge mit Kartoffel-Meerettich-Püree, Erdbeeren mit Mascarpone und Waldmeistereis – schon für 19 Euro zu haben ist. Aber auch das herrlich kräuterduftige Kalbsfilet mit Spreewald-Gemüsen und Basilikum-Ravioli ist seine 24,50 Euro locker wert.

Guido Kachel behauptet sich als einziger ernst zu nehmender Küchenchef in der Spargelgegend am südlichen Berliner Autobahnring. Die schlichte Idylle des Landhotels Theodore F. täuscht: Hier will einer richtig ambitioniert kochen, wagt den weltumspannenden Zugriff und offeriert beispielsweise gebeizte Lachsforelle mit Rosinen-Chili-Taboulé, Perlhuhnbrust mit Cranberrysauce oder, gelegentlich, vielgängige Fischmenüs. Am Wochende gibt es im schönen Garten am Fluss auch einfache Grillgerichte.

Potsdam ist eine Sache für sich – die besten Restaurants der Landeshauptstadt nennen wir unten in einem separaten Kasten. Und über den Aufstieg der Bäkemühle in Kleinmachnow hat Elisabeth Binder am vergangenen wochenende in unserer Restaurantkritik „Von Tisch zu Tisch“ auf der „Essen & Trinken“-Seite erst elogisch berichtet. Wir ziehen deshalb hier weiter nach Werder-Petzow, wo das Hafenrestaurant Ernest am Schwielowsee einfache, sauber gekochte Fischgerichte bietet – ein perfektes Ausflugsziel, wenn nicht die große gastronomische Oper auf dem Programm steht. Es gehört übrigens zum kulinarisch weniger interessanten Resort-Hotel, liegt aber ein Stück entfernt.

Der gesamte Westen Brandenburgs kommt hier nicht vor. Das ist kein Versehen, sondern Ausdruck der seltsamen Tatsache, dass sich dort kein einziges beachtenwertes Restaurant etablieren konnte. Esslust kommt erst wieder in zwei hübschen Hotels im Norden Berlins auf: Das Seeschlösschen in Wustrau, sehr hübsch am Neuruppiner See gelegen, bietet eine angenehme, preisgünstige spanisch-mediterran beeinflusste Küche. Ähnlich schmeckt es auch in der Orangerie von Schloss Ziethen, ländlich-sittlich am Rande eines schönen Landschaftsparks unweit des Autobahnkreuzes Oranienburg. Beide Häuser bieten keine Gourmet-Großtaten, überzeugen aber durch moderne, ausgereifte Küche zu vernünftigen Preisen.

In Wandlitz wagt jetzt auch das vor einigen Jahren sehr empfehlenswerte Seepark-Hotel nach kulinarischem Absturz einen Neuanfang mit einem vielversprechenden Küchenchef. Ich war noch nicht da, gebe den Tipp also ungeprüft weiter - der Garten am See lohnt auf jeden Fall den Besuch.

Ganz im Norden treffen wir Florian Löffler. Er hat sich nach Jahren als Küchenchef im Berliner „Vau“ aufs Land zurückgezogen und kocht jetzt in der schlichten Alten Schule in Fürstenhagen animierend locker-leicht, modern, aber ohne Exaltationen. Unterm Dach liegen schlichte Gästezimmer, das Frühstück ist ebenso individuell wie das Abendessen – das Haus hat im Sinne unseres Themas nur einen Fehler: Es liegt ungefähr einen guten Kilometer auf Mecklenburger Boden. Aber Brandenburg ist ja nicht so reich gesegnet mit guten Restaurants, dass wir ausgerechnet dieses Kleinod unterschlagen dürften.

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