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Witzblockade: Schild an einem Dixi-Klo an der Demostrecke in Neuruppin.

© dpa

Rechtsextremisten: Kurzmarsch: In Neuruppin kamen die Neonazis nur 800 Meter weit

Die Demo in neuruppin war angemeldet. Doch bundesweit werden Aufzüge wie jüngst in Potsdam immer häufiger konspirativ geplant. Die Drahtzieher kommen aus der Region Brandenburg-Berlin.

Von Frank Jansen

Stand:

Potsdam/Neuruppin - Hunderte Neonazi-Gegner haben am Samstag in Neuruppin gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten demonstriert. Der Protest sei sehr erfolgreich gewesen, sagte der Sprecher der Initiative „Neuruppin bleibt bunt“, Martin Osinski, auf Anfrage. Die Rechtsextremisten seien daran gehindert worden, vom Bahnhof in die Innenstadt zu laufen. Schon nach 800 Metern wurden sie vom „bunten und demokratischen Neuruppin“ gestoppt. Vier Initiativen hatten Gegenkundgebungen zu einer Demonstration der „Nationalen Laubenpieper“ angemeldet. Die Bewegung beruht auf der Räumung eines unangemeldeten Treffens der rechten Szene im März in einer Gartenkolonie in Neuruppin.

Die Stadt war bereits in den vergangenen Jahren Ort von Neonazi-Treffen. Dem rechten Treiben stellt sich vor allem das Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ entgegen. Osinski sprach von einem fantasievollen, lauten und friedlichen Protest. Es habe mehrere spontane Sitzblockaden gegeben. Alle Kundgebungen seien ohne Zwischenfälle verlaufen. Das bestätigte auch die Polizei. Der Aufzug der rechten Szene sei aufgrund der Sitzblockaden abgebrochen worden. Auch bei diesem Aufzug habe es keine nennenswerten Störungen gegeben. Erst danach habe einer der Teilnehmer einen Polizisten angegriffen. Gegen ihn sei Anzeige erstattet worden. Bei den Kundgebungen waren etwa 700 Polizisten von Land und Bund im Einsatz.

Im September hatte es bei Gegenkundgebungen zu einem Neonazi-Aufmarsch erhebliche Probleme gegeben: Die Polizei löste eine Sitzblockade auf und kesselte teilweise mit Gewalt rund 300 Gegendemonstranten ein. Bei einer Anhörung im Innenausschuss des Landtages räumten Innenminister Dietmar Woidke (SPD) und Polizeipräsident Arne Feuring später Fehler bei dem Einsatz ein.

Das Land Brandenburg wird, wie berichtet, derzeit von einer ganzen Reihe rechter Aufmärsche überzogen. An den zurückliegenden Wochenenden waren Rechtsextremisten in Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel marschiert. Zudem werden Aufmärsche in Wittstock und Cottbus erwartet.

Neben diesen angemeldeten Demonstrationen setzen autonome Rechtsradikale zunehmend auf nicht angemeldete Blitzdemonstrationen – vor allem in den Abendstunden als Fackelzug abgehalten. Seit Anfang 2011 veranstalten Rechtsextremisten, in schwarzer Kapuzentracht und vermummt mit weißen Masken, bundesweit konspirativ geplante Mini-Aufmärsche. Mehrere Auftritte wurden von Neonazis gefilmt und im Internet als Videos präsentiert. Die an der Kampagne teilnehmenden Rechtsextremisten bezeichnen sich als „Die Unsterblichen“ und behaupten in ihren Parolen, durch die Einwanderung von Ausländern drohe ein „Volkstod“. Die Sicherheitsbehörden haben bundesweit bereits ungefähr 50 Provokationen registriert, mehrere Male wurde die Polizei überrascht. Aktionen gab es unter anderem im sächsischen Bautzen, in Potsdam, Hannover, Ludwigshafen, Düsseldorf, Essen, Hamburg und Konstanz.

Die Kampagne ist nach Informationen dieser Zeitung eines der ersten größeren, überregionalen Themen, mit denen sich das Ende 2011 gegründete „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR)“ befasst. In dem von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) als Reaktion auf die rechtsextremen Terrormorde initiierten GAR tauschen Polizei und Verfassungsschutz Informationen aus. In einer „Gefährdungsbewertung“ aus dem GAR zu den „Unsterblichen“ heißt es, „der Eventcharakter der Veranstaltungen und die professionelle mediale Aufbereitung über das Internet bewirken aktuell eine hohe Anziehungskraft auf für rechte Propaganda empfängliche Jugendliche und junge Erwachsene“. Weitere Aktionen seien zu erwarten, wobei „auch abweichende, innovative Agitationsmuster und neue Themenfelder einzukalkulieren sind“.

Brandenburgs Verfassungsschutz warnt in seinem Jahresbericht 2011, durch die Kampagne „Die Unsterblichen“ hätten unangemeldete Aufmärsche „einen erheblichen Bedeutungszuwachs“ erlangt. Sicherheitsexperten werten die Flash-Mob-Taktik und die an den Ku- Klux-Klan erinnernde Vermummung als Reaktion der Neonazis auf den wachsenden Widerstand der Zivilgesellschaft gegen die herkömmlichen Aufmärsche der braunen Szene. Angesichts der vielen Blockaden durch Nazigegner versuchten Rechtsextremisten neue Aktionsformen.

Als Initiator der „Unsterblichen“-Kampagne gelten Brandenburger Neonazis um das Internetportal „Spreelichter“. Die Rechtsextremisten provozieren schon länger mit Aktionen gegen den angeblich drohenden „Volkstod“. Die NPD bleibt bei der Kampagne weitgehend außen vor. (mit dapd)

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