Brandenburg: Kürzung oder Systemwechsel?
Der Präsident des Landesverfassungsgerichts zum Verfahren über die Finanzierung freier Schulen
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Potsdam - Das brandenburgische Landesverfassungsgericht hat nach eigenen Angaben im bundesweiten Vergleich besonders viel zu tun. 2013 haben die neun Richter, die nebenberuflich am Verfassungsgericht tätig sind, rund 6,4 Verfahren pro Monat entschieden. Insgesamt gab es 2013 77 erledigte Fälle und 74 Neueingänge, wie Gerichtspräsident Jes Möller am Freitag mitteilte. Aktuell hat das Gericht 43 Verfahren im Bestand. In der Mehrzahl wurde in Potsdam über Individual-Verfassungsbeschwerden entschieden. Damit wenden sich Bürger gegen letztinstanzliche Urteile brandenburgischer Gerichte und rügen gravierende Mängel. Sechs von 60 dieser Beschwerden hatten Erfolg, so viele wie noch nie, meist wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs. 2014 stehen für das Gremium Entscheidungen an, die bereits im Vorfeld für Diskussionen sorgten.
FREIE SCHULEN
Die Klage von 31 Abgeordneten gegen das seit 2012 geltende neue Finanzierungsmodell für freie Schulen soll im ersten Halbjahr verhandelt werden. Ob, wie es gerüchteweise heißt, im April 2014 mit einem Urteil zu rechnen ist, konnte Möller nicht sagen, da noch ein Schriftsatz der Kläger ausstehe. Seit 2012 zahlt das Land den freien Schulen nicht mehr 94 Prozent ihrer Personalkosten, sondern einen jährlich neu ermittelten Betriebskostenzuschuss aufgrund fiktiver Faktoren. Dagegen gab es zahlreiche Demonstrationen in Potsdam. Die Schulen sehen es als Kürzung – Möller nennt diese Bezeichnung unglücklich. Er sieht einen Systemwechsel, ein völlig neues, anderes Finanzierungsmodell. Dies ist wohl mehr als begriffliche Haarspalterei: Bei einem Systemwechsel billigt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber oft einen großen, wenn auch nicht unbegrenzten Gestaltungsspielraum zu.
KOSTEN FÜR KINDERSCHUTZ
Die Jugendämter in den Landkreisen sollen sich seit 2012 zum Kindeswohl besser vernetzen und mehr Beratungsangebote vorhalten, besagt das neue Kinderschutzgesetz des Bundes. Die Kosten für zusätzliches Personal wollen die Kreise Oberhavel, Havelland und Märkisch-Oderland vom Land ersetzt haben. Wenn das Land mehr Verpflichtungen festlegt, bezahlt es auch – hat das Verfassungsgericht 2013 entschieden, als die vier kreisfreien Städte mehr Geld für Kita-Betreuer forderten, weil der Betreuungsschlüssel vom Land verbessert wurde. „Die bedeutendste Entscheidung“, sagt Möller und deutete an, dass er auch beim Kinderschutzgesetz so entscheiden würde. Er geht von einer politischen Lösung bis zur Landtagswahl aus und bemerkt, dass es eine rückwirkende Zahlungspflicht des Landes geben könnte.
WAS 2014 NOCH ANSTEHT
Ausgesetzt sind die Beschwerden von der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus gegen die von ihr heftig bekämpfte Fusion mit der Fachhochschule Lausitz zum 1. Juli 2013. Grund: Auch vor dem Bundesverfassungsgericht klagen Fakultäten und Professoren. Möller will gegensätzliche Urteile vermeiden. Außerdem wehren sich zwei Polizisten gegen die Kennzeichnungspflicht – vor dem Verwaltungsgericht und gleichzeitig vor dem Verfassungsgericht.
UND SONST?
„Tod ist kein Auszug“ schrieben die Verfassungsrichter ihren Kollegen vom Landgericht Potsdam ins Stammbuch, diese Auslegung eines Mietvertrages sei „objektive Willkür“. Mit dieser Lesart hätte die Miete erhöht werden können, nachdem der Sohn in den Vertrag der verstorbenen Mutter eingetreten war. Ingmar Höfgen
Ingmar Höfgen
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