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Fall Niedner: Land gegen gütliche Einigung

Der Poker um einen möglichen Millionen-Schadensersatz aus Brandenburgs Landeskasse für den bayerischen Unternehmer Peter Niedner geht in die nächste Runde.

Stand:

Brandenburg (Havel) - Vor dem Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) lehnte Rechtsanwalt Reinhold Kopp am Dienstag für das Land einen von Niedner jüngst angebotenen Vergleich ab. Kopp schloss auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Helmut Krah aber eine gütliche Einigung nach den fast 18-jährigen Auseinandersetzungen erstmals auch nicht mehr kategorisch aus. Dafür müsste das OLG aber „eine belastbare Grundlage“ liefern, da es um Steuergelder gehe, da „schaut auch der Rechnungshof hin“, sagte Kopp, einst Staatskanzleichef und Wirtschaftsminister im Saarland, danach zeitweise Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns. Der Lafontaine-Vertraute war von Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) für den Fall engagiert worden.

Auch die OLG-Kammer, die den größten Staatshaftungsfall in der Geschichte des Landes erneut verhandelte, hielt sich im jetzigen Stadium des Verfahrens bedeckt. „Für Gerichte ist eine gütliche Einigung immer wünschenswert“, sagte Krah. „Aber es geht um viel Geld.“ Man wisse, dass sich die öffentliche Hand da mit Vergleichen schwertue. Das Gericht selbst tue sich mit einem eigenen Vorschlag schwer, wolle vorher noch Fragen klären.

Niedner, früher Industriemanager diverser Firmen, wirft dem Land vor, seine Firma Deuba Grossräschen GmbH, die in der Lausitz in den 90er Jahren eine Baustofffabrik errichten wollte, mit dem Fehlbescheid eines Finanzamtes 1993/1994 in den Ruin getrieben zu haben. Da ihm das Recht auf Vorsteuerabzug verweigert worden war, die sogenannte Unternehmereigenschaft, habe er nicht mehr wirtschaften können. Der Prozess wird neu aufgerollt, nachdem der Bundesgerichtshof ein früheres OLG-Urteil aufgehoben hatte, das Ansprüche Niedners abgeschmettert hatte. Insgesamt geht es um Schadenersatzforderungen von rund 100 Millionen Euro. Sollte keine gütliche Einigung in dem Verfahren zustande kommen und der Prozess mit einem Urteil enden, gilt ein erneuter Gang nach Karlsruhe - egal wer verliert - als sicher. Der Bundesgerichtshof hatte in einem Fall, der Parallelen aufweist, in der Bodenreform-Affäre dem Land „sittenwidrige“ Enteignungspraxis vorgeworfen - verantwortlich war das Finanzministerium.

Niedners Anwalt Rolf Karpenstein erneuerte am Dienstag die Bereitschaft des 78-Jährigen, über einen Vergleich zu verhandeln. Andererseits griff Karpenstein die Kammer mehrfach scharf an, bezweifelte sogar deren Unabhängigkeit. Im Vorfeld hatte Niedner angeboten, die Hälfte einer 20-Millionen–Entschädigung für die Rekonstruktion der Orangerie im Schlosspark Sanssouci und den Aufbau der Garnisonkirche in Potsdam zu spenden.

Das Gericht versuchte am Dienstag in einer Beweisaufnahme, die Auswirkungen des Vorgehens des Finanzamtes Calau in den 90er Jahren auf die Firma zu rekonstruieren. Es wurden diverse Zeugen vernommen, die über das berichteten, was vor gut zwei Jahrzehnten geschah. Die Kammer hatte im Vorfeld erklärt, dass der damalige Bescheid des Finanzamtes falsch war. Nun aber äußerte der Vorsitzende Richter Zweifel, ob Schadenersatz von der richtigen Firma geltend gemacht werde, da diese damals alle Rechte auf eine Schwesterfirma übertragen hatte. Tatsächlich hatte die Keraglas GmbH - mit den gleichen Eignern wie die Debau GmbH – hatte auch die vom Land in Aussicht gestellten Fördermittel beantragt. Diese Konstruktion sei eine Formsache gewesen und auf Anraten des Wirtschaftsministeriums gewählt worden, so Niedner und sein Anwalt. Hintergrund seien staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ausgelöst durch die Treuhandanstalt gegen die Deuba GmbH Niedners gewesen. Der damalige Wirtschaftsminister Walter Hirsche (FDP) habe geraten, das Projekt über eine Schwesterfirma der Gruppe laufen zu lassen. Der Prozess soll im Oktober fortgesetzt werden.

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