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Brandenburg: Landesbeamter nach Luxusreisen auf Anklagebank Korruptionsprozess gegen Referatsleiter des Finanzministeriums. Ex-Abteilungsleiter verurteilt

Potsdam - Es geht um Luxusdienstreisen in den arabischen Raum und nach Südostasien inklusive mehrerer Flüge in der Business Class und Aufenthalten in Hotels mit fünf und mehr Sternen, alles teilweise bezahlt von Banken, mit denen das Land Brandenburg Geschäfte mit Schuldtiteln und Anleihen machte. Im Zentrum dieser Korruptionsaffäre stehen einst ranghohe Mitarbeiter bis zum Abteilungsleiter im brandenburgischen Finanzministerium, die mit dem Schuldenmanagement befasst waren und es sich bei der Investorensuche im Ausland haben gutgehen lassen.

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Potsdam - Es geht um Luxusdienstreisen in den arabischen Raum und nach Südostasien inklusive mehrerer Flüge in der Business Class und Aufenthalten in Hotels mit fünf und mehr Sternen, alles teilweise bezahlt von Banken, mit denen das Land Brandenburg Geschäfte mit Schuldtiteln und Anleihen machte. Im Zentrum dieser Korruptionsaffäre stehen einst ranghohe Mitarbeiter bis zum Abteilungsleiter im brandenburgischen Finanzministerium, die mit dem Schuldenmanagement befasst waren und es sich bei der Investorensuche im Ausland haben gutgehen lassen. Nun muss sich am Montag nach den Osterferien ein Referatsleiter des Ministeriums vor dem Amtsgericht Potsdam verantworten. Dem Havelländer Achim B. (54) wird in der Anklageschrift Vorteilsannahme in 22 Fällen vorgeworfen.

Der Fall reicht zurück in die Jahre 2008 bis 2011. Ins Rollen gebracht wurde er vom Landesrechnungshof. Er rügte im Herbst 2012 den laxen Umgang mit derlei Dienstreisen von Beamten des Finanzministeriums. Wie sich später herausstellen sollte, war der Fall weitaus gravierender als vom Rechnungshof festgestellt. Lothar H., einst der frühere Leiter der Haushaltsabteilung im Finanzministerium, ist bereits seit Mitte Mai rechtskräftig wegen Vorteilsannahme verurteilt. Gegen ihn erließ das Amtsgericht Potsdam einen Strafbefehl, er musste eine Geldstrafe in Höhe von 15 000 Euro zahlen.

Es war eine durchaus verantwortungsvolle Aufgabe, die den beiden Beamten oblag. Referatsleiter B. war für das komplette Liquiditäts- und Schuldenmanagement sowie die Kreditaufnahme des Landes Brandenburg zuständig – und damit auch sein Chef, Abteilungsleiter H. Sie hatten es bei der Platzierung von Schuldtiteln des Landes am Markt mit den ganz großen Banken im internationalen Geschäft zu tun, mit einer Tochter der US-Bank J. P. Morgan Chase und der britischen Barclays Bank. Um neue Investoren für Brandenburgs Schuldtitel zu gewinnen und zur Kontaktpflege haben die Landesbeamten, so viel steht nach der ersten Verurteilung schon fest, an sogenannten „Roadshows“ teilgenommen. Organisiert wurden diese „Roadshows“ von den Banken, die dabei ausdrücklich auch die Wünsche der Beamten berücksichtigt, Flüge und Hotels gebucht und die Termine mit Investoren koordiniert haben.

Wie zum Beispiel bei einer Reise über Tokio, Hongkong, Macau und Peking im Herbst 2011: Das Ganze kostete 24 500 Euro, das Land Brandenburg trug nur 10 000 Euro. Es gab sogar noch einen Zwischenstopp in Kyoto, der laut Staatsanwaltschaft nur touristischen Zwecken diente. Die Zusatzkosten von 1600 Euro für die beiden Beamten trug J. P. Morgan. Die Staatsanwaltschaft geht – auch gedeckt durch das bereits ergangene Urteil gegen H. – davon aus, dass die Bank den Beamten für bisherige Aufträge danken und für künftige Derivat- und Anleihegeschäfte gewinnen wollte. In Tokio ging es dann um sechs exklusive Restaurantbesuche, die Kosten pro Person: fast 700 Euro. Ähnlich lief es bei einer weiteren Roadshow im Mai 2011 in arabischen und asiatischen Staaten. Auch dabei zahlte das Land nur eine Reisekostenpauschale von 10 000 Euro – womit die Kosten von knapp 19 000 Euro bei Weitem nicht gedeckt waren. Auch hier gab es exklusive Einladungen zu Restaurantbesuchen mit Kosten von 600 Euro für jeden Beamten.

Schon 2013 hat das Finanzministerium auf PNN-Anfrage eingeräumt, dass J.P. Morgan die über der mit dem Land vereinbarten Pauschalsumme angefallenen Kosten für die Reisen einfach über die Gebühren für Emission der Landesanleihen abgerechnet. Die einzelnen Leistungen und Posten für die sechstägige Reise Anfang Mai 2011 mit Aufenthalten in Abu Dhabi, Dubai, Kuala Lumpur, Singapur und Bangkok wurden nicht abgerechnet. Es ist also auch nicht mehr überprüf- und nachweisbar, ob die Landesbeamten damals auf Drinks oder zu Essen oder sonstigen Vergnügungen eingeladen worden waren, die mit dem eigentlichen Zweck der Reise nichts zu tun hatten.

Daneben geht es um ein Festdinner, das B. in einer E-Mail im Juni 2011 vorgeschlagen haben soll. J. P. Morgan und die Deutschen sollten als Dank für die erfolgreiche Platzierung einer Benchmark-Anleihe den Abend samt Empfang, Vier-Gänge- Menü, Getränken und Musik im Schloss Kartzow im Norden Potsdams, auf halbem Weg zwischen Dienst- und Wohnort, zahlen, konkret 2000 Euro. Die Kosten der Heimfahrt mit einer Limousine soll ebenfalls eine der Banken getragen haben.

Anlässe wie einen Geschäftsabschluss aber brauchte es wohl nicht immer. In vier Fällen sollen sich die Beamten von der US-Bank zwischen 2008 und 2011 regelmäßig in exklusiven Restaurants bewirten lassen haben. Die Gesamtkosten, die J. P. Morgan trug, sollen bei 1 100 Euro gelegen haben. Zudem soll B. zwischen November 2009 und November 2011 sechsmal Einladungen der Barclays Bank in exklusive Restaurants in London, Frankfurt am Main, Berlin und Potsdam angenommen und sich für 700 Euro bewirten lassen haben. Die Einladungen sollten dazu dienen, B. für die Finanzgeschäfte mit der Bank gewogen zu stimmen.

Lothar H. ist übrigens längst in Pension. Er wurde vom damaligen Finanzminister Helmuth Markov (Linke) in den Ruhestand entlassen – am 9. Mai 2011, genau zwei Tage nach Ende der Roadshow-Reise in den Arabischen Emiraten und in Asien. Ausgerechnet bei jener von den Banken zum Teil bezahlten Reise gab es einen ganz besonderen Anlass für H. In einer Mitteilung des Ministeriums zu seiner Pensionierung hieß es damals: „Der Spitzenbeamte – der seit April 2005 die Haushaltsabteilung leitete – hatte am 3. Mai 2011 seinen 65. Geburtstag gefeiert.“

Ob das Finanzministerium wegen der Verurteilung des früheren Abteilungsleiters selbst noch gegen ihn vorgeht, wollte ein Sprecher mit Hinweis auf den Datenschutz nicht sagen. Immerhin unterliegen auch pensionierte Beamte in gewissem Umfang dem Beamtenrecht, auch gegen sie können Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden. B. dagegen ist immer noch im Finanzministerium tätig. Zwar entzog ihm das Ministerium, als es 2013 den Fall aufrollte, die Leitung des Referats für das Liquiditäts- und Schuldenmanagement. Referatsleiter ist er aber immer noch und zuständig für IT-gestütztes Rechnungswesen. Wegen „des laufenden Verfahrens und wegen der schutzwürdigen Privatsphäre des Betroffenen“ will sich das Ministerium aktuell nicht äußern.

Immerhin hat schon der damalige Minister derlei Verhalten von Beamten einen Riegel vorgeschoben. Die laxe Abrechnungspraxis seiner Vorgänger bei den 2001 unter Dagmar Ziegler (SPD) eingeführten und seither mehrfach stattgefundenen Roadshows hat er kassiert. Nun gilt die Reisekostenabrechnung, wie sie für alle Beamten im Land üblich ist.

nbsp;Alexander Fröhlich

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