Von Johann Legner: Landeshymne: Nazilied oder Heimatschnulze? Neue Forschungsergebnisse zum Brandenburglied belegen Nähe zum Nationalsozialismus
Potsdam - Der Streit um die Vergangenheit der inoffiziellen brandenburgischen Landeshymne, dem Lied von der „Märkischen Heide“, ist neu aufgeflammt und hat neue Nahrung erhalten. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war es eine der wichtigsten Erkennungsmelodien für jene rechtsextremen, antisemitischen Kreise, die dann ab 1933 ganz Europa mit ihren Verbrechen beherrschten.
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Potsdam - Der Streit um die Vergangenheit der inoffiziellen brandenburgischen Landeshymne, dem Lied von der „Märkischen Heide“, ist neu aufgeflammt und hat neue Nahrung erhalten. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war es eine der wichtigsten Erkennungsmelodien für jene rechtsextremen, antisemitischen Kreise, die dann ab 1933 ganz Europa mit ihren Verbrechen beherrschten. Dies jedenfalls ist das Ergebnis neuerer Forschungen zu dem Lied und seinem Verfasser, dem Berliner Komponisten Gustav Büchsenschütz.
Daniel Siemens forscht zu der Nazi-Ikone Horst Wessel. Dem Mann der sogenannten Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampf- und Prügeltruppe der Nationalsozialisten, 1930 von Anhängern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) umgebracht, hatten die Nationalsozialisten ein Lied gewidmet, das nach 1933 eine zweite Nationalhymne wurde – und heute verboten ist. Siemens entdeckte auf alten Schallplatten, dass das „Horst-Wessel-Lied“ und die „Märkische Heide“ sehr oft zusammen auf einer Platte zu finden waren.
Der Historiker, der heute an der Universität Bielefeld arbeitet, zuvor in Potsdam studiert hatte, wurde stutzig und fragte nach. Dabei stieß er dann auf Spuren, die noch über das hinaus gehen, was bislang schon zur problematischen Geschichte der Melodie bekannt war. So entstand das Lied 1923 nicht etwa im Zusammenhang mit der eher unpolitischen „Wandervogel-Bewegung“, wie auch von Büchsenschütz (1902-1996) noch kurz vor seinem Tode behauptet. Büchsenschütz war vielmehr Mitglied im Bismarckorden, einer Jugend-Kampfformation der Demokratiegegner, die von dem fanatischen Antisemiten Wilhelm Kube geleitet wurde. Kube wiederum, zunächst Nazi-Gauleiter und Oberpräsident von Brandenburg, war als Oberkommissar für Weißrussland ab 1941 verantwortlich für die Ermordung Hunderttausender und 1943 Opfer einer erfolgreichen Partisanenaktion.
Die Forschungsergebnisse von Siemens zur Geschichte der Brandenburg-Hymne werden auch von Michael Kohlstruck, einem Historiker der TU Berlin geteilt, der seinerseits demnächst weitere Details veröffentlichen will.
Das Lied wurde insbesondere bei Uniform- und Versammlungsverboten von den Nazis als eine art Kampfmelodie eingesetzt, mit der sich die Feinde der Republik wechselseitig zu erkennen gaben und mobilisierten. Deswegen auch erlangte es auch in der Reichshauptstadt Berlin bei den Nazis große Beliebtheit und findet sich in allen einschlägigen Liedverzeichnissen auch beispielsweise der SS, aber auch der Wehrmacht. Es wurde damals oft mit der Zeile „dem Hakenkreuz die Treue“ gesungen. Es verwendet den Gruß „Heil“, der seit der NS-Zeit verpönt ist und mit „Treue“ einen zentralen Begriff der Rechtsradikalen.
Nach dem Krieg taucht es dann gelegentlich in Liedbüchern der Bundeswehr auf, bevor es vom früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) zu einer Art Landeshymne erklärt wurde. Stolpe hat diese Wahl damit verteidigt, dass die Melodie und der Text von Büchsenschütz lediglich von den Nazis missbraucht worden seien und zum Ursprung des Liedes unhaltbare Angaben gemacht. Als im vergangenen Jahr zum ersten Mal Hinweise auf die eng mit dem Entstehen des Nationalsozialismus verbundene Vorgeschichte bekannt wurden, forderte die Linke, in Zukunft bei protokollarischen Anlässen auf das Lied zu verzichten. Die Landesregierung lehnte die Forderung ab. Das Brandenburglied wird nach wie vor auch bei offiziellen und inoffiziellen Anlässen und auf märkischen Volksfesten gern und laut geschmettert.
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