Brandenburg: „Landesregierung hat jahrelang nur gemauert“
Landesärztekammer-Präsident Udo Wolter zum Ärztemangel und zur Medizinerausbildung
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Herr Wolter, Anfang Dezember hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss auf die neue Bedarfsplanungsrichtlinie geeinigt, die durch mehr Flexibilität den Ärztemangel auf dem Land beheben soll. Sind damit alle Probleme gelöst oder geht es jetzt erst richtig los?
Probleme löst die neue Bedarfsplanung erst einmal gar nicht. Vereinfacht ausgedrückt entscheidet sie darüber, wo sich welche Ärzte niederlassen dürfen. Das lässt sich mit der neuen Richtlinie viel genauer steuern. Insofern ist das grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn die Richtlinie jetzt erst einmal auf Landesebene konkret umgesetzt werden muss. Wir werden sehen, was dabei im Detail herauskommt. Leider sind wir als Landesärztekammer an den Beratungen zwar mitbeteiligt, haben aber kein Stimmrecht.
Bundesweit soll es auf dem Land 3000 Ärzte mehr geben. Bedeutet das nicht auch gleichzeitig mehr kassenärztliche Leistungen und folglich höhere Kosten für das Gesundheitssystem?
Man darf die Möglichkeiten der Bedarfsplanung nicht überschätzen. Sie zaubert uns keine neuen Ärzte aus dem Hut, sondern verteilt die, die wir haben. Prinzipiell ist aber richtig, dass eine gute Gesundheitsversorgung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wenn wir mehr Ärzte wollen, müssen wir die natürlich auch bezahlen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg geht derzeit von landesweit 120 unbesetzten Hausarztstellen aus - wohlgemerkt nach der alten Bedarfsplanung, die sich an den Kreisen orientiert. Warum ist es so schwer, Ärzte für eine Stelle auf dem Land zu gewinnen?
Das hat sehr viel mit dem demografischen, vor allem aber mit dem gesellschaftlichen Wandel zu tun. Den Landarzt, der Tag und Nacht mit seiner braunen Ledertasche unterwegs ist, während sich seine Frau um Haushalt und Kinder kümmert, gibt es nicht mehr. Die jungen Ärztinnen und Ärzte wollen mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen, und das ist ihr gutes Recht. Sie lassen sich dort nieder, wo auch ihr Lebenspartner einen Job findet, wo es gute Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder gibt, wo das kulturelle Angebot und die Infrastruktur stimmen. Da sind die kleinen Gemeinden und die strukturschwachen Gebiete natürlich im Nachteil.
Was muss sich ändern?
Wir müssen neue Ansätze wagen, neue Strukturen schaffen. Meiner Meinung nach können wir hier durchaus von der DDR lernen. Auch da gab es zwar nicht in jedem Dorf einen Arzt, aber jede Gemeinde hatte ein Ärztezimmer, wo Ärzte aus dem Umland ihre Sprechstunden abhalten konnten. Der Patientenbus in Müncheberg, der Patienten aus den Nachbarorten abholt und zum Arzt fährt, ist ein Projekt, das in diese Richtung geht. Wir brauchen mehr solcher Initiativen, dann werden die ländlichen Gebiete auch für die Mediziner wieder interessanter.
Eine weit verbreitete Meinung unter Medizinern im Land lautet, eine eigene Ärztemedizinische Ausbildung in Brandenburg könnte dazu beitragen, den Ärztemangel abzumildern. Sie gelten als Befürworter einer eigenen Fakultät im Land. Woran hapert es?
Am Willen der Politik. Brandenburg ist das einzige Flächenbundesland, das keine Mediziner ausbildet. Eine eigene medizinische Fakultät wird den Ärztemangel nicht im Alleingang beseitigen, aber sie ist ein Baustein zur Lösung des Problems. Eigentlich wäre es die Aufgabe der Landesregierung, hier etwas zu tun, aber die hat jahrelang nur gemauert. Jetzt, wo wir Ärztinnen und Ärzte mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg das Problem selbst in die Hand nehmen, findet sie die Idee auf einmal gut.
Warum reicht es nicht, dass in Berlin Ärzte ausgebildet werden?
Die Situation ist doch so: Wir schicken unsere besten Leute zum Studieren nach Berlin, nach München, nach Magdeburg und hoffen darauf, dass sie nach dem Studium wieder nach Brandenburg ziehen und sich hier niederlassen. Viele kommen aber nicht zurück, weil sie sich anderswo eine Existenz aufgebaut haben - der sogenannte Klebeeffekt. Umgekehrt könnte ein attraktives Medizinstudium dazu beitragen, junge Mediziner aus anderen Bundesländern für Brandenburg gewinnen. Darüber hinaus wird die eigene Hochschule auch die Forschungstätigkeit in den hiesigen Krankenhäusern fördern.
Wie sollte eine eigene Medizinerausbildung in Brandenburg organisiert werden?
Was wir brauchen, ist ein praxisorientiertes, interdisziplinäres Studium in enger Kooperation mit den Kliniken und Lehrpraxen. Ich denke, die Medizinische Hochschule Brandenburg ist da auf einem guten Weg.
Wäre Potsdam dafür nicht auch ein geeigneter Ort?
Jeder Ort, an dem das notwendige Engagement vorhanden ist, ist geeignet. Insofern ist auch jede andere Initiative in diese Richtung zu begrüßen, wie etwa die private Hochschule, die vom Verbund christlicher Kliniken in Frankfurt an der Oder geplant wird.
Die Fragen stellte Matthias Matern
Udo Wolter (64) ist seit 1996 Präsident der Landesärztekammer Brandenburg. Zuletzt wurde er 2012 wiedergewählt. Der Facharzt für Unfallchirurgie zählt zu den Gründern der Kammer.
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