Von Alexander Fröhlich: Landrat warb für sich – bei seinen Angestellten
SPD-Politiker Dieter Friese schrieb internen Brief an Behördenpersonal Sein CDU-Gegenkandidat ist verärgert: „Er hat die Neutralität zu wahren“
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Forst/Potsdam – Beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen fehlten dem Landrat von Spree-Neiße noch mehr als tausend Stimmen für eine weitere Amtszeit. Nun sorgt Dieter Friese (SPD) wenige Tage vor der Stichwahl mit hausinterner Wahlwerbung in der Kreisverwaltung für Wirbel. Als „unzulässig“ stuft das Innenministerium das Vorgehen ein und prüft den Fall auf Verstöße gegen das Dienstrecht. Die CDU spricht von Amtsmissbrauch, sogar die Rechtmäßigkeit der Wahl am Sonntag steht in Frage.
Den dieser Zeitung vorliegenden Eintrag hatte Friese vor einer Woche für eine Nacht in das Intranet des Landkreises eingestellt: „Wenn jeder von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung noch drei oder vier Leute (zur Wahl) mitnimmt, wären das im positivsten Fall schon die 1400 Stimmen, die mir am 10. (Januar) gefehlt haben.“ Es sollte ein „Zahlenbeispiel“ sein, sei aber ein Fehler gewesen, sagte Friese am Mittwoch den PNN. Sollte die Direktwahl in Spree-Neiße scheitern, wäre der Landkreis „bis in den Sommer hinein ohne Landrat. Das hat mich umgetrieben und hat zu der unglücklichen Wortwahl geführt“.
Tatsächlich äußerte Friese in der Hausmitteilung seine Sorge vor zu geringer Wahlbeteiligung. Daher bat er in dem Schreiben seine Mitarbeiter, zur Stichwahl Fahrdienste für Senioren und Freunde zu organisieren sowie bei Briefwahl-Anträgen zu helfen. Schließlich folgte die umstrittene Passage, die rechtlichen Folgen sind noch gar nicht absehbar. Sollte Friese am Sonntag gegen den CDU-Kandidaten die Wahl gewinnen, ist eine Anfechtung durchaus möglich. „Wir werden das prüfen“, sagte die CDU-Vizechefin von Spree-Neiße, die Landtagsabgeordnete Monika Schulz. Der Aufruf des Landrats sei „dienstrechtlich äußerst fragwürdig“ und „unfair gegenüber anderen Kandidaten“. Friese verstoße damit gegen das Neutralitätsgebot. CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski sagte: „Der Landrat missbraucht massiv seine Amtsstellung.“ Auch der CDU-Kandidat für den Landratsposten, der Drebkauer Bürgermeister Harald Altekrüger, zeigte sich „entsetzt“. „Das ist schlicht unanständig, Herr Friese hat die Neutralität zu wahren. So etwas gehört sich nicht.“ Im ersten Wahlgang hatte Friese 48,04 Prozent der Stimmen erzielt, Altekrüger 35,83 Prozent.
Friese selbst war um Schadensbegrenzung bemüht. Nach einem Hinweis aus dem Innenministerium stellte er hausintern klar: „Zu keiner Zeit habe ich das Ziel verfolgt, Einfluss auf das Wahlverhalten meiner Mitarbeiter zu nehmen. Ich weiß auch nicht, wie das gehen sollte.“ Er selbst habe bemerkt, „dass der Inhalt nicht akzeptabel ist und missverständlich sein könnte. Ich habe die Passage am nächsten Morgen selbst entfernt“.
An seiner Warnung vor den Folgen geringen Wählerzuspruchs bei der ersten Landrats-Direktwahl in Brandenburg hält Friese fest. Denn zum Landrat gewählt ist nur, wer neben der Mehrheit zugleich die absoluten Stimmen von 15 Prozent der Wahlberechtigten holt. Doch schon im ersten Wahlgang in Spree-Neiße, Elbe-Elster, Barnim, Ostprignitz-Ruppin und Oberspreewald-Lausitz verfehlten die erfolgreichsten Kandidaten das Quorum. Für die Stichwahl ist nach Erfahrungen aus anderen Bundesländern mit einer noch geringeren Beteiligung zu rechnen, es fehlen die mobilisierenden Themen. Dann würden die Landräte wie in den letzten 20 Jahren von den Kreisparlamenten bestimmt, wegen Koalitions-Kungeleien eine umstrittene Praxis. Aber besonders die Landes-SPD sieht die Direktwahl skeptisch. Friese warnte daher, der Gesetzgeber werde nach den Kosten für eine Direktwahl fragen, „für die sich offensichtlich niemand interessiert“. Allein bei den jetzt betroffenen Landkreisen gehe es für den Steuerzahler um insgesamt eine Million Euro.
Friese selbst ist in Spree-Neiße durchaus umstritten. André Groß, Kreis-Geschäftsführer der Linken, sagte, das ist „nicht der erst Fauxpas von Herrn Friese, bei dem er seine Funktion als Landrat mit der Rolle als Kandidat vermischt“. Groß spielte damit auf das seit Oktober laufende Besuchsprogramm des Landrats bei Vereinen und Unternehmen an, das Motto lautet „mehr Möglichkeiten, mehr Miteinander“. Dabei habe Friese gern die Gelegenheit genutzt und gesagt, „warum er Landrat bleiben sollte“. Friese entgegnete: „Ich bin seit 16 Jahren Landrat, das ist mein Arbeitsstil. Nur weil Wahlkampf ist, setze ich mich doch nicht 24 Stunden in den Keller und lasse mich nicht mehr in der Öffentlichkeit sehen.“
Besonders ärgerlich an der Affäre ist für die Landes-SPD aber: Friese sollte eigentlich gar nicht mehr für die SPD als Landratskandidat antreten. So wollte es jedenfalls die Landesspitze. Stattdessen, so die Planspiele vor und unmittelbar nach der Landtagswahl Herbst 2009, sollte Umweltminister Dietmar Woidke auf den Posten abgeschoben werden. Doch Woidke, eigentlich ein Gegner von Rot-Rot, hatte nicht nur den Linken einen Wahlkreis abgenommen, sondern sich auch geweigert, selbst gegen Friese zu putschen. Er wäre nur bereit gewesen, in seiner Heimat anzutreten, wenn ihn Friese selbst vorgeschlagen hätte. Daraufhin, so heißt es aus Frieses Umfeld, habe sich SPD-Generalsekretär Klaus Ness am auf den Weg nach Cottbus gemacht, um mit Friese die Kandidatur selbst zu besprechen. Am 3. Oktober, einem Samstag, trafen sich beide Genossen mitten auf dem Cottbuser Marktplatz. Friese, von einem Parteifreund über Ness’ Absichten informiert, verweigerte dem Generalsekretär den Handschlag und den Gang in ein nahes Cafè. Friese erzählte später Genossen, er habe Ness, bevor dieser ihn habe fragen können, ob er auf eine erneute Kandidatur verzichten wolle, mit dem Satz abgefrühstückt: „Deine Frage kannst Du dir in den A... schieben.“ Ness konnte sich später auf Nachfrage nicht mehr erinnern.
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