Von Matthias Matern: Langer Weg aus dem Tal
Obwohl die Umsätze vieler Unternehmen teils dramatisch eingebrochen sind, ist Brandenburg von Kündigungen bislang weitgehend verschont geblieben
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Potsdam - Erst blieben die Aufträge aus, jetzt rauschen landesweit die Umsätze in den Keller. Vor allem beim Auslandsgeschäft verzeichnen die großen Industriebetriebe in Brandenburg herbe Einbrüche. Um 23,5 Prozent gingen die Exporterlöse nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Der Rückgang beim Inlandsgeschäft fällt mit einem Minus von mehr als neun Prozent dagegen fast moderat aus. Insgesamt sanken die Erträge um rund 13 Prozent.
Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung seit Herbst vergangenen Jahres seien die Zahlen wenig verwunderlich, heißt es dazu aus dem Landeswirtschaftsministerium. Mit einer spürbaren Erholung noch in diesem Jahr rechnet Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) nicht. Für Brandenburg sei die Talsohle zwar in Sicht, aber noch nicht erreicht, sagte Junghanns jüngst auf einer Unternehmertagung. Der Weg aus der Krise werde seiner Einschätzung nach außerdem länger sein, als manche glauben und das Niveau niedrig bleiben.
Am gravierendsten wirkt sich die gesunkene Nachfrage in der Metallindustrie aus. Im März lagen die Umsätze knapp 44 Prozent unter denen des Vergleichsmonats 2008. Der weltgrößte Stahlkonzern ArcelorMittal hatte deshalb bereits vor einigen Wochen angekündigt, die Produktion an seinem brandenburgischen Standort in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) um 25 Prozent drosseln zu wollen. Der große Hochofen und andere Anlagen sollen deshalb für begrenzte Zeit stillgelegt werden. Insgesamt beschäftigt der Konzern in Eisenhüttenstadt 2600 Mitarbeiter. Rund 800 Beschäftigte demonstrierten gestern für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze am Rande einer Aufsichtsratssitzung des Unternehmens in Berlin. Wie der IG-Metall-Bevollmächtigte Peter Ernsdorf erklärte, habe die Geschäftsleitung erneut zugesagt, vorerst auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten zu wollen. Seit Dezember gilt in Eisenhüttenstadt Kurzarbeit.
Trotz starker Auftrags- und Umsatz Einbrüche ist Brandenburg bislang von Massenentlassungen weitgehend verschont geblieben. Unternehmen der Gesundheitswirtschaft etwa sind bislang von der Krise nicht betroffen, machen nach wie vor Gewinne und suchen Mitarbeiter. Im Vergleich zum März waren die Arbeitslosenzahlen im April sogar leicht von 184 152 auf 178 1337 gesunken. „Das liegt vor allem an dem derzeit gestiegenen Bedarf an Saisonkräften für die Spargelernte“, erläutert Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit.
Statt jetzt qualifizierte Mitarbeiter zu entlassen, die bei anziehender Konjunktur dringend gebraucht werden, versuchen viele Unternehmen die schlechten Zeiten mit Kurzarbeit zu überbrücken. „Im April haben insgesamt 592 Betriebe angezeigt, dass sie bei unveränderter Lage ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken wollen“, berichtet Möller. Betroffen sein könnten demnach rund 9722 Beschäftigte. Absolute Zahlen von Mitarbeitern, die tatsächlich von Kurzarbeit betroffen sind, würden jedoch nur quartalsweise erfasst und stünden noch aus.
Im Wirtschaftsministerium, bei den Kammern und Branchenverbänden wird das Festhalten an den Belegschaften als gutes Zeichen gewertet. Zudem werde weiterhin auch investiert, betonte Minister Junghanns vor kurzem. Aktuelle Konjunkturumfragen der brandenburgischen Handwerkskammern zeigen außerdem, dass viele kleine und mittelständische Betriebe zwar deutlich skeptischer geworden sind, die Mehrheit seine Geschäftslage aber noch als gut einschätzt.
Dagegen hat sich die Lage bei exportorientierten Unternehmen und deren Zulieferern zugespitzt. Anfang der Woche kündigte der Automobilzulieferer Schaeffler ein drastisches Sparprogramm an. Am einzigen brandenburgischen Standort in Luckenwalde (Teltow-Fläming) müssen jetzt jährlich 3,9 Millionen Euro Personalkosten eingespart werde. Dies entspricht etwa 70 der insgesamt 500 Beschäftigten.
Ebenfalls scheint es die Solarbranche hart erwischt zu haben. Das Hamburger Fotovoltaik-Unternehmen Conergy, dass auch in Frankfurt (Oder) einen Standort hat, verbuchte im ersten Quartal des Jahres einen dramatischen Umsatzrückgang von 69 Prozent. Beim Solar-Module-Hersteller Aleo Solar aus Oldenburg gingen die Erlöse um mehr als die Hälfte zurück. In Prenzlau (Uckermark) beschäftigt Aleo Solar 530 Mitarbeiter. Noch im vergangenen Jahr habe das Auslandsgeschäft etwa 50 Prozent ausgemacht, berichtet Firmensprecher Hermann Iding. „Derzeit sind es gerade einmal 35 Prozent.“ Zum einen sei wegen veränderter Fördersätze in Spanien der bislang wichtigste Absatzmarkt im Ausland praktisch komplett weggebrochen. Zum anderen sei wegen der Krise die Finanzierung mittelgroßer Fotovoltaik-Anlagen deutlich schwieriger geworden, sagte Iding.
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