Brandenburg: Lausitzer Kellerfluten
Nach dem Ende vieler Tagebaue kommt das Grundwasser zurück – im Keller des Senftenberger Theaters steht der Pegel bei 1,46 Meter, bei Altdöbern muss ein See kleiner ausfallen / Experten suchen nach Lösungen
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Senftenberg - Ein fauler, modernder Geruch dringt in die Nase. Axel Tonn holt einen Zollstock aus der Tasche und misst den Wasserstand. „Der Pegel steht bei 1,46 Meter“, sagt der Technische Direktor des Theaters „Neue Bühne“ in Senftenberg (Landkreis Oberspreewald-Lausitz). Seit mehreren Jahren sickert Wasser in die zweite Kelleretage des Spielhauses. „Vor drei Monaten betrug der Pegel noch 1,35 Meter.“ Der Spielbetrieb sei zwar derzeit nicht gefährdet, jedoch müsse ein Teil des Requisitenlagers ausgeräumt werden. Teile des versenkbaren Podiums vom Orchestergraben stehen ebenfalls im Wasser. „Der TÜV könnte die ganze Anlage sperren“, befürchtet Tonn. Ähnlich wie in Senftenberg sind in Südbrandenburg in zahlreichen Orten Gebäude vom steigenden Grundwasser bedroht. Die Flutung der abgebaggerten Tagebaue im entstehenden Lausitzer Seenland stellt die für die Sanierer der alten DDR-Bergbaue verantwortliche Lausitzer- und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) vor große Probleme. Die Neue Bühne in Senftenberg erlebt die Ausläufer eines Naturschauspiels: Das Grundwasser kehrt zurück. Einst abgepumpt, um an die Kohleflöze zu gelangen, bahnt es sich seinen Weg zurück.
Im Theaterhof haben Ingenieure der LMBV vor wenigen Tagen damit begonnen, drei 16 Meter tiefe Filterbrunnen zu installieren, um das Wasser abzupumpen. Sind die Bohrungen abgeschlossen, sollen die Motoren anlaufen. Auch in der benachbarten Rathenau-Schule stehen die Keller unter Wasser. „Eine Pumpe ist hier bereits in Betrieb“, sagt LMBV-Mitarbeiter Volker Krause. Sind die Räume in beiden Gebäuden trocken, sollen sie anschließend mit Kies und Beton verfüllt werden. Etwa 3,50 Meter steht das Wasser im gesamten Stadtteil unter der Erdoberfläche. Der Pegel wird in den kommenden Jahren nach Angaben der LMBV noch um ein bis zwei Meter steigen.
Ebenfalls vom steigenden Grundwasser betroffen ist in Senftenberg das Gewerbegebiet „Laugkfeld“, das Anfang der 90-er Jahre auf der Fläche eines ehemaligen Braunkohletagebaus in der Nähe des Stadtzentrums errichtet worden war. Bei der Gebäudereinigungsfirma Dietrich durchziehen lange Risse die Fassade des Verwaltungshauses. „An der Decke haben wir bereits Verschiebungen festgestellt“, sagt Holger Nachtigall. Der Geschäftsführer sagt, er wisse nicht, wie sich das Gebäude verhalte, wenn das Wasser noch zwei Meter steigt. „Wir werden gegenüber der LMBV auf jeden Fall Regressforderungen stellen“, kündigt Nachtigall an. 40 Firmen sind nach Angaben des Bergbausanierers im Laugkfeld von dem Wasser von unten bedroht. Die LMBV-Ingenieure haben in der Vergangenheit fieberhaft nach geeigneten Lösungsmodellen gesucht. Ab 2010 soll nun mit Hilfe eines Brunnensystems das Wasser kontinuierlich abgepumpt werden – so hofft man, den Grundwasserspiegel dauerhaft niedrig halten zu können.
Im 25 Kilometer entfernten Altdöbern ist die Situation noch kritischer. 1600 Häuser hat die LMBV seit 2003 in dem Städtchen untersucht. Jedes Gebäude wurde vermessen und überprüft. Übrig blieben 600, die vom steigenden Grundwasser betroffen sind. Derzeit wird für deren Rettung ein Konzept erarbeitet. „Unser Ziel ist eine Komplexlösung mit tiefer gelegten und zusätzlichen Gräben“, sagt Ingenieur Hans-Jürgen Kaiser. Denkbar wäre auch eine unterirdische Dichtungswand, die, rund um die Wohnsiedlung versenkt, das Grundwasser abhalten könnte. Doch für alle wäre selbst die unterirdische Mauer nicht die Rettung: „Dennoch müssen voraussichtlich in einigen Häusern die Keller verfüllt werden", so Kaiser, müssten die Bewohner auf ihre Keller verzichten.
Der Anstieg der Grundwasserpegel in der Lausitz hat auch Auswirkungen auf einen Teil der neuen Seenlandschaft, die in den alten Tagebaufurchen in Südbrandenburg und dem nördliche Sachsen entstehen soll. Um in Altdöbern nicht noch mehr Druck auf den Grundwasserpegel aufzubauen, hat die LMBV beschlossen, den Greifenhainer See bis zum Jahr 2018 nicht so voll laufen zu lassen, wie geplant – der Endwasserstand wurde um etwa 1,60 Meter verringert.
Doch gehe das nicht überall in der Lausitz, so die LMBV-Experten. Die künstlich angelegten Ufer und Böschungen für die künstliche Seenlandschaft seien auf bestimmte Wasserstände ausgelegt. Daher könne man auch nicht die Wasserstände beliebig absenken. „Die ganzen Kipparbeiten wurden auf den festgelegten Endständen vorgenommen", begründet Kaiser. Bei abgesenkten Wasserspiegeln würden die Wellen unterhalb der Uferbefestigungen an unverdichtete Ufer schlagen, die Böschungen wären einsturzgefährdet. Auch Umweltaspekte sprächen gegen eine dauerhafte Absenkung des Grundwasserspiegels.
Die ersten ernsthaften Grundwaserprobleme in der Region wurden der LMBV im Jahr 2003 gemeldet. Damals habe man begonnen, Südbrandenburg flächendeckend zu untersuchen, um möglichen Gefahren schon im Vorfeld entgegenwirken zu können, so das Unternehmen, dass den Nachlass der DDR-Tageabbaue verwaltet und saniert. In der ganzen Lausitz wurden Kontrollpegel installiert, mit deren Hilfe der Grundwasseranstieg überprüft wird. „Die Ergebnisse werden regelmäßig ausgewertet und in eine Konfliktkarte eingerechnet“, erklärt Ingenieur Kaiser. Mit hydrologischen Modellen werde zudem der zukünftige Grundwasseranstieg prognostiziert. Auch die Geschwindigkeit des steigenden Wassers könne dadurch errechnet werden. Insgesamt 31,7 Millionen Euro werden in diesem Jahr in der Lausitz für die Gefahrenabwehr in Verbindung mit dem Grundwasseranstieg eingesetzt.
Dabei ist das Problem nicht neu: Eigentlich steigt das Wasser nur wieder in die Bodenschichten, in denen es schon immer war, aus denen es aber für die Tagebaue abgesenkt worden war. Denn um an die Kohle zu gelangen, mussten in der gesamten Lausitz die Pegel abgesenkt werden. Nach dem Ende der meisten Tagebaue kehrt nun auch das Grundwasser wieder zurück. So hat sich das über Jahrzehnte aufgebaute Grundwasserdefizit in der Region seit der Bergbausanierung von ursprünglich 7 Milliarden auf rund 2,4 Milliarden Kubikmeter verringert.
Die LMBV, so Ingenieur Kaiser, werde oft für das steigende Grundwasser verantwortlich gemacht. Doch nirgend sei heute der Grundwasserstand höher, als vor der Braunkohleabbaggerung. Noch vor 20 oder 30 Jahren sei es in der Lausitz völlig normal gewesen, dass in tieferen Lagen die Keller im Frühjahr und Herbst feucht wurden. „Auf den Feldern stand regelmäßig das Wasser“, erinnert sich Kaiser. „Durch den Tagebau wurde das Grundwasser für einen vorübergehenden Zeitraum abgesenkt.“ Viele Menschen und Hausbesitzer hätten das jedoch vergessen. Und vielerorts wurde in der 80-er Jahren zu DDR-Zeiten und nach der Wende in der Tagebauregion neu gebaut – meist mit Keller.
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