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Brandenburg: Lausitzer Versuche

Braunkohle-Debatte: Eine Gemeinde scheitert, ein Landrat ignoriert, einer erhöht seinen Preis

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Potsdam/Berlin - Eine kleine Lausitz-Gemeinde ist mit dem Versuch gescheitert, die Braunkohlepläne der Landesregierung über einen Umweg zu kippen. Bürgermeister und Gemeindevertreter der Gemeinde Wiesengrund (Spree-Neiße) hatten ein neues Anhörungsverfahren der Gemeinden zum gerade erst von den Ländern Berlin und Brandenburg beschlossenen gemeinsamen Landesentwicklungsprogramm (LEPro) gefordert. „Wir haben der Gemeinde mitgeteilt, dass wir keine Grundlage für ihr Ansinnen sehen“, sagte der Sprecher des brandenburgischen Infrastrukturministeriums, Lothar Wiegand den PNN.

Die Wiesengrunder hatten sich mit einem „Antrag auf Nachanhörung“ an Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) und Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gewandt. Begründung: Als die Gemeinden zum neuen LEPro angehört wurden, sei die neue Kohle-Studie der Landesregierung zwar schon fertig, aber noch nicht öffentlich gewesen. Hätte man damals schon gewusst, dass die Landesregierung neue Braunkohletagebaue plant, hätte man dem LEPro so nicht zugestimmt. Denn im neuen Planungsprogramm, das die Grundsätze der Landesplanung und der Genehmigungsverfahren in Berlin und Brandenburg regelt, sei der alte, detaillierte Paragraph zum Braunkohle-Abbau auf einen allgemeinen Absatz zur Gewinnung von Bodenrohstoffen geschrumpft. Ministeriumssprecher Wiegand: „Der LEPro regelt nur Grundsätze, die Details sind etwa im Kohlegesetz geregelt.“

Trotz der Niederlage der Wiesengrunder: Die Braunkohlepläne der Landesregierung stoßen selbst in den eigenen Reihen auf wachsende Widerstand. In der Kohlestudie werden sieben Gebiete in der Lausitz aufgeführt, in denen nach dem Jahr 2030 Braunkohle gefördert werden könnte. Dadurch wären 33 Orte von der Abbaggerung und tausende Menschen von einer Umsiedlung bedroht.

Mehre SPD-Landtagsabgeordnete aus der Lausitz kündigten intern bereits an, im Landtag keinen einzigen neuen Tagebau mehr zu unterstützen und auch vor Ort gegen die Kohlepläne aktiv zu werden.„Es wird im Landtag nie wieder einen Beschluss geben, der es ermöglicht, eine Gemeinde für einen Tagebau zu opfern“, sagte eine Lausitzer SPD-Landtagsabgeordnete den PNN. Ein Fraktionskollege fügt hinzu: „Wenn die Lausitzer dies schon nicht mehr unterstützen, dann sehen auch die Abgeordneten aus den anderen Landesteilen keinen Grund, sich für die Braunkohle stark zu machen.“

Seit Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) Anfang Mai eine vom Land in Auftrag gegebene Studie der Technischen Universität Clausthal über eine „Fortschreibung der Tagebauentwicklung im Lausitzer Braunkohlerevier“ vorgestellt hat, rumort es im Süden. Betroffen von den laut Studie favorisierten neuen Tagebauen wären 33 Lausitz-Dörfer und -Städte mit insgesamt rund 8 000 Einwohnern. Zu den von Umsiedlung bedrohten Orten zählen auch Teile der größeren Städte Forst und Spremberg. Und nicht nur aus der SPD kommt Widerstand. Selbst im eigenen Lager ist Junghanns“ offenes Eintreten für eine starke Rolle der Braunkohle in der Energiepolitik umstritten.

Der Landrat von Oberspreewald-Lausitz, Georg Dürrschmitt (CDU), gibt sich betont gelassen, bemüht sich, seinem Parteifreund Junghanns nicht all zu offensichtlich zu widersprechen: Er tut einfach so, als gehe seinen Kreis die gesamte Braunkohlediskussion nichts an. Dabei taucht in der Kohlestudie auch ein lukratives Vorkommen im Kreis Oberspreewald-Lausitz auf – um Sallgast herum. Aber Dürrschmitt geht „einfach mal davon aus, dass das Vorkommen nicht aufgeschlossen wird“. Er sei dagegen, „das Thema Braunkohle dogmatisch zu diskutieren“. Zwar werde sie wohl auch in Zukunft „eine gewisse Rolle im Energiemix“ des Landes spielen. Aber doch bitte nicht in seinem Landkreis, in dem sich schließlich immer mehr alternative Energieunternehmen ansiedeln würden. „Und schließlich setzen wir im Kreis doch auf die Renaturierung der alten Tagebaue, die neue Seenlandschaft und damit auf den Tourismus.“ Die Kohle-Studie ignoriert er einfach: „Das wird einfach nicht geschehen“, es passe einfach nicht in die Strategie, die der Kreis für sich habe. Egal, was Potsdam will.

Selbst die „Kohlefraktion“ in der Lausitz hat neue Möglichkeiten in Zeiten von Klimadiskussion und Braunkohleskepsis erkannt. Der Landrat des Kreises Spree-Neiße, Dieter Friese (SPD), versucht seit einigen Wochen, dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall, der die Lausitzkohle abbaut und verstromt, klar zu machen, dass sich die Zeiten – und damit auch die Preise – geändert haben. Um die Zukunft der Lausitz als Kohleregion zu sichern, fordert er mehr Engagement von Vattenfall vor Ort.

Es könne nicht sein, dass „mit dem Gewinn aus unserem Boden hauptsächlich das schwedische Sozialsystem finanziert“ wird, sagte Friese jüngst. Bevor der schwedische Staatskonzern nicht mehr Zusagen – gemeint sind vor allem finanzielle – an die Region macht, „geht mit unserer Zustimmung kein Spaten in die Erde“, so Friese. Sonst könne er sich ja auch kurzfristig mit den Kohlegegner verbünden. Der Klageweg bis vor die Europa-Gerichte sei schließlich lang und teuer, so Friese vielsagend.

Bei Vattenfall fühlt man sich offen erpresst. Irgendwie versuche es derzeit jeder. Egal, ob Freund oder Feind. Peter Tiede

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