Brandenburg: Leitstern ade
Verband warnt vor schlechteren Rahmenbedingungen für Windenergie. Vor allem weil der Landesentwicklungsplan juristisch endgültig zu kippen droht
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Potsdam - Die großen Jahre der Windenergie in Brandenburg, die Zeiten , als das Land regelmäßig mit dem „ Leitstern Erneuerbare Energie“ für den Ausbau regenerativer Stromproduktion ausgezeichnet wurde, sind definitiv vorbei. Das hat politische Gründe, die Prioritäten in der Landespolitik haben sich verschoben. Es hat aber auch handwerkliche Gründe in der Regierungsarbeit.
Ganz konkret hat der Bundesverband Windenergie (BWE) in seiner Halbjahresbilanz für Brandenburg festgestellt, dass der Ausbau mit 63 neuen Anlagen und einer neu installierten Leistung von 171 Megawatt (MW) in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (188,9 MW) zurückgegangen sei. „Inzwischen wird mehr als die Hälfte des in Brandenburg verbrauchten Stroms durch die Windkraft in Brandenburg erzeugt. Und durch den Zubau sind noch einmal Investitionen von knapp 240 Millionen Euro in das Land geflossen“, sagte BWE-Landesvorstand Jan Hinrich. Die gesamte installierte Windleistung betrug danach Ende Juni dieses Jahres 5627,52 MW. Die Windräder werden allerdings auch immer größer, was zuletzt die Debatte über die Windräder und die Mindestabstände zu bewohnten Orten befeuert hatte. Laut Verband liegt die durchschnittliche Nabenhöhe neuer Windräder inzwischen bei 136 Metern (2014: 124 Meter). Weil in der Höhe der Wind öfter und stärker weht, rechnet der Verband mit einem überproportionalem Wachstum bei der Stromerzeugung. „Die Branche zeigt ihr enormes Zukunftspotenzial gerade in Brandenburg auch darin, dass hier Projekte zur Speicherung von Wind-Strom weit fortgeschritten sind und immer mehr Projekte mit Beteiligung von Kommunen und Bürgern entwickelt werden“, sagte Hinrich.
Doch politisch hat sich die Lage im Land längst gedreht. Erst kürzlich hatten Brandenburgs Sozialdemokraten den bislang forcierten Ausbau der Windkraft infrage gestellt. SPD-Landesvorstand und Landtagsfraktion wollen die geltende „Energiestrategie 2030“ der Landesregierung umfassend zu überprüfen – aber nur bei deren Festlegungen zur Windkraft, nicht zu anderen Energieträgern wie der Braunkohle. Die SPD rückt damit auch von dem Flächenziel von zwei Prozent der Landesfläche ab, die nach der 2012 vom Kabinett beschlossenen Energiestrategie als Windeignungsgebiete ausgewiesen werden sollen. Bislang hatten die Sozialdemokraten entsprechende Forderungen, etwa der CDU-Opposition, nach einem Moratorium gegen weitere Windparks strikt abgelehnt. Der Widerstand dagegen wächst, in kurzer Zeit hat eine Volksinitiative 29 000 Unterschriften gesammelt, die kürzlich an Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) übergeben wurden. Bislang gibt es rund 3700 Windräder im Land, Windparks machen knapp ein Prozent der Landesfläche aus. Die Landes-SPD verweist ausdrücklich auf „Sorgen“ in der Bevölkerung „um unsere Kultur- und Landschaftsräume“, aber auch wegen höherer Strompreise für private Haushalte und Unternehmen in Brandenburg, die auf den bisherigen Ausbau der Windenergie zurückgehen würden. Zum SPD-Forderungskatalog gehört deshalb, dass Orte künftig von Windrädern in ihrem Gebiet profitieren sollen.
Allerdings gibt es auch rechtliche Probleme: BWE-Landesvorstand Hinrich warnte davor, die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Windenergie in Brandenburg zu verschlechtern. So werde gerade etwa der Landesentwicklungsplan gerichtlich überprüft und könnte unwirksam werden. Dies ist aus Sicht des Verbandes sogar wahrscheinlich. Damit aber würden die Planungsgrundlagen für die Branche mit unabsehbaren Folgen infrage gestellt. Als Energieland sei Brandenburg darauf angewiesen, dass die erneuerbaren Energien die schwindende Bedeutung der Kohle ausgleichen, sagte Hinrich.
Tatsächlich droht der Landesregierung beim Streit um den Landesentwicklungsplan eine krachende Niederlage. 26 Gemeinden haben beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) im Eilverfahren einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Damit soll das OVG den von der Landesregierung wieder in Kraft gesetzten Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg per Erlass einer vorläufigen Regelung wieder außer Kraft zu setzen.
Das OVG hatte im Juni 2014 den seit 2009 geltenden Landesentwicklungsplan wegen formaler Fehler für unwirksam erklärt. Begründet wurde dies damit, dass in der Rechtsverordnung zum Plan ein Hinweis auf die gesetzliche Grundlage fehle. Dies holte Infrastrukturministerin Kathrin Schneider nach dem Urteil nach und ließ den Plan durch einen Kabinettsbeschluss wieder in Kraft setzen. Für Schneider war damit der frühere Fehler behoben, der Plan rückwirkend wieder in Kraft. Dagegen gehen die Gemeinden nun wieder vor. Das OVG hat aus ihrer Sicht in seinem Beschluss vom Sommer 2014 deutlich gemacht, dass die Planung angesichts veränderter Rahmenbedingungen neu aufgerollt werden müsse. Auf Grundlage des OVG-Beschlusses zur Aufhebung des Landesplanes von 2014 hatte das Verwaltungsgericht Cottbus erst im Frühjahr dieses Jahres auf eine Klage von Investoren bereits entschieden, dass Kommunen den Bau neuer Windkraftanlagen nicht mit Hinweis auf den Landesentwicklungsplan, der Wildwuchs verhindern sollte, verbieten dürfen. Auch in den Kommunen herrscht Verunsicherung: Viele versuchen inzwischen, weil mit dem Landesplan auch die Regionalpläne kippen würden, auf völlig überalterte Planwerke aus den 1990er Jahre zurückzugreifen – was ebenfalls vor den Gericht kaum Bestand haben dürfte.
nbsp;Alexander Fröhlich
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