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Von Matthias Matern: Letzte Hoffnung: Erneuerbare Energien

93 Prozent der Militärbrachen im Land sind vermarktet, doch die letzten 7300 Hektar sind Ladenhüter

Von Matthias Matern

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Potsdam - Es gibt sie noch immer, die stummen Zeugen des deutschen Militarismus und des Kalten Krieges. Trostlose Betonmauern ziehen sich über Hunderte Meter entlang märkischer Landstraßen, überwuchert von Rankpflanzen. Dahinter gähnen schwarze Fensterrahmen aus nüchternen Kasernenfassaden durch dichtes Gestrüpp. Eine wahre Herkulesaufgabe hatte das Land Brandenburg in den vergangenen rund 20 Jahren zu schultern. Rund 100 000 Hektar ehemals militärisch genutzte Fläche übernahm das Land, nachdem 1994 die letzten Soldaten der sowjetischen Armee abzogen. Darunter ehemalige Truppenübungsgelände, Kasernen und Flugplätze, häufig kontermeniert mit alter Munition, giftigen Chemikalien und Bergen von Schrott.

Rund 93 Prozent der Gebiete sind mittlerweile einer zivilen Nutzung zugeführt worden, etwa 2 Milliarden Euro wurden in den vergangenen Jahren in die Umwandlung investiert entstanden sind viele zukunftsträchtige Prestigeprojekte, doch nach wie vor hat das Land schwer an der Last der Vergangenheit zu tragen.

Angaben der Brandenburgischen Boden Gesellschaft für Grundstücksverwaltung und -verwertung mbH (BBG), die im Auftrag des Landes für die Konversion, so der Fachbegriff, zuständig ist, wurden seit 1994 landesweit allein 2,5 Millionen Tonnen Flugzeugtreibstoff entsorgt, rund 30 Tonnen Lösungsmittel eingesammelt und etwa 320 000 Tonnen sonstiger Schrott wie Reifen und Sperrmüll abtransportiert. „Eine positive Entwicklung“, findet Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke). „Konversion war und ist eine Herausforderung.“

Tatsächlich wurde bereits viel erreicht. Bei einigen landesweit bekannten Objekten, wie etwa der Therme in Bad Saarow oder dem Schloss Oranienburg samt Schlossgarten, ist die militärische Vergangenheit der Grundstücke fast in Vergessenheit geraten. Als Musterbeispiel für gelungene Konversionsbemühung gilt auch der Biotechnologiepark in Luckenwalde. Kein anderer Landkreis in Brandenburg ist so mit ehemaligen Militärliegenschaften belastet wie Teltow-Fläming.

36 000 Hektar der insgesamt 100 000 Hektar WGT-Flächen (Westgruppe der Truppen) liegen zwischen Ludwigsfelde im Norden und Jüterbog im Süden. „Wir haben die Gebiete mehr als Chance denn als Last gesehen“, meint Landrat Peer Giesecke (SPD). Der Biotechnologiepark sei das erste Konversionsprojekt gewesen, das gestartet worden sei. „Wir wollten in Luckenwalde ein Zeichen setzen“, erzählt Giesecke. Nach der Wende seien dort „quasi über Nacht“ rund 7000 Arbeitsplätze in der Textilindustrie weggebrochen. Dass der Biotechnologiepark eine „Erfolgsgeschichte“ wird, habe er damals selbst nicht geglaubt, räumt der Landrat ein. Allein zwei Millionen Euro mussten aufgewendet werden, um das Grundstück aufzuräumen. Mittlerweile ist der Park mit seinen nach modernstem Standard ausgestatteten Laboren, eigenem Konferenzzentrum und Kantine Anziehungspunkt für Existenzgründer und zunehmend auch für etablierte Firmen. Noch 1997 waren lediglich acht Unternehmen ansässig, heute sind es 38. „Ausschlaggebend war der Ausbau der Bundesstraße 101, die aber leider immer noch nicht ganz fertig ist“, sagt Peer Giesecke.

Doch gerade im südlichen Teil Teltow-Flämings, rund um die alte Garnisonsstadt Jüterbog, zeigt sich auch, wie groß die Herausforderungen nach wie vor sind. Rund die Hälfte der noch übrigen 7300 Hektar Militärbrache, für die noch keine Nutzung gefunden werden konnte, befänden sich in Teltow-Fläming, berichtet BBG-Geschäftsführerin Andrea Magdeburg. Schlechte Verkehrsanbindung, Belastung mit Altmunition, Denkmalschutzauflagen für Gebäude des preußischen Militärs aus dem 19. Jahrhundert und hoher Aufwand für den Abriss maroder Baracken seien die Haupthemmnisse für die erfolgreiche Vermarktung, so Magdeburg.

Mit der Nutzung der Flächen für erneuerbare Energien will die Landesregierung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen könnte so der für 2020 festgeschriebene Anteil alternativer Stromgewinnung erreicht werden, zum anderen könnten selbst die hartnäckigsten Ladenhüter relativ kostengünstig an den Mann gebracht werden.

Vorzeigebeispiel ist etwa der Solarpark Lieberoser Heide im Spree-Neiße Kreis. Dort wurden aus den Erlösen des Pachtvertrages mit dem Betreiber für rund fünf Millionen Euro insgesamt 400 Hektar von alten Blindgängern und anderen Munitionsresten befreit. Mittlerweile sind auch auf anderen Militärbrachen Solaranlagen ans Netz gegangen, wie der Solarpark „Selterhof“ bei Treuenbrietzen (Potsdam-Mittelmark) oder jüngst bei Spremberg, ebenfalls im Spee-Neiße Kreis.

Auch Windräder sollen sich nach Vorstellung von Wirtschaftsminister Christoffers bald auf Konversionsflächen drehen. Doch auf vielen Flächen sind über die Jahrzehnte Biotope entstanden, ganze Wälder gewachsen. Über die Frage, inwieweit diese Areale für die Windkraft genutzt werden können, herrscht Uneinigkeit zwischen dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium des Landes. Dabei stehen potenzielle Investoren bereits Schlange, berichten Bürgermeister. Doch laut Christoffers besteht Hoffnung, dass der Konflikt bald beigelegt werden könnte. „Das Umweltministerium hat jetzt zugesagt, das Waldgesetz auf eine mögliche Lösung hin zu überprüfen.“

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