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Von Thorsten Metzner: Letzter Freundschaftsdienst
Rainer Speer, der sich in Affären verhedderte, verlässt nach dem Rücktritt als Minister nun auch den Landtag
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Potsdam - Er galt einmal als einflussreichster Politiker Brandenburgs, als Profi, nervenstark, über den Dingen stehend, mit direktem Zugang zu Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der ihm lange vertraute: Nun tritt Rainer Speer, 51 Jahre, der schillerndste Politiker des Landes, früher Chef der Staatskanzlei, Finanzminister und vor dem tiefen Sturz zuletzt Innenminister mit „Kronprinzen“-Ambitionen doch von der politischen Bühne ab. Er zieht die Konsequenz aus der Unterhaltsaffäre um 13 Jahre nicht gezahlte Alimente für ein uneheliches Kind, das sechs Jahre sogar staatliche Ersatzalimente bezog, um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, und verlässt den Landtag. Und zwar schneller, als Speer noch vor sieben Tage dachte. Da hatte er die Bitte Platzecks zum Mandatsverzicht ignoriert, die SPD in eine Krise gestürzt.
Er wird, dies teilte Speer nun am Sonntag auf einer kurzfristig anberaumten „Pressekonferenz“ im Potsdamer Regine-Hildebrandt gemeinsam mit Platzeck mit, doch sein Landtagsmandat niederlegen und zwar zum 31. Dezember 2010, womit er der Aufforderung des SPD-Landeschefs und Ministerpräsidenten nachkommt.
Freilich, Platzeck und Generalsekretär Klaus Ness fügten sich dabei dem letzten Willen von Speer. Der hatte mit einer Art „schwarzen Liste“ genau festgelegt, welche Medien und Journalisten für sein Abgangs-Briefing nicht erwünscht waren. Dazu gehörte nach der kritischen Berichterstattung der letzten Wochen auch diese Zeitung. Zuvor waren Platzeck und Speer demonstrativ gemeinsam mit den SPD-Ortsvereinen in Speers Havelland–Wahlkreis zusammengetroffen.
Platzeck kommentierte, wie den PNN übermittelt wurde, den angekündigten Rücktritt Speers so: „Es ist der richtige Schritt.“ Brandenburgs SPD habe einen „Gestaltungsauftrag“ für dieses Land, den sie seit 20 Jahren erfolgreich wahrnehme. Brandenburg sei ein Aufsteigerland, sichtbar an der geringsten Arbeitslosigkeit seit 1990, der Dynamik, am Spitzenplatz beim Ausbau erneuerbarer Energien. Speers Verzicht auf das Landtagsmandat schaffe wieder Freiräume für sozialdemokratische Wirkungsmöglichkeiten. Die Zustände infolge der Affären seien nicht länger hinnehmbar gewesen. Zugleich würdigte Platzeck noch einmal die Verdienste Speers beim Aufbau des Landes, beim Abbau der Verschuldung.
Speer, der in der Woche seine letzte Landtagssitzung absolviert, hatte sich bis zuletzt schwer mit der Entscheidung getan. Er ziehe sich nach dem Rücktritt als Minister nunmehr auch aus der zweiten Reihe der Politik zurück, nachdem ihn einige Fragen ins Herz getroffen hätten. „Da bin ich schon ein wenig weich geschossen“, erklärte Speer, der seinen Schritt damit begründete, Schaden von der Partei abzuwenden. Er bat alle um Verzeihung, die er enttäuscht habe. Sein Schritt möge dazu beitragen, die nötige Geschlossenheit in der brandenburgischen SPD wieder herzustellen, die sie Jahre lang ausgezeichnet habe. Genossen seien wegen der Affären in die Lage gekommen, erklären zu müssen, was sie nicht erklären könnten. Und „es war meiner Familie und Freunden nicht länger zuzumuten“. Er hoffe, dass für ihn 2011 ein besseres Jahr werde als 2010, dass seine Familie zur Ruhe kommen könne.
Speer hatte wie berichtet selbst eingestanden, Vater eines 13-jährigen Mädchens zu sein, für das er erst jetzt Unterhalt zahlt. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts einer falschen eidesstattlichen Erklärung in einem Medienprozess. Die Staatskanzlei prüft die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn, weil er als Chef der Staatskanzlei im Jahr 2000 den Antrag auf Verbeamtung der Kindsmutter unterschrieb. Den Vorwurf einer Protegierung bestreitet Speer weiter strikt. Im Gegenteil, die Frau – die keine Karriere machte – war auch hier gestraft, dass sich ihre Wege mit Speer gekreuzt hatten, heißt es in SPD-Kreisen.
Speers Entscheidung löste in und außerhalb der krisengeschüttelten SPD Erleichterung aus, wo die Sorge vor einer Trotzreaktion Speers und damit einer Brüskierung Platzecks in den letzten Tagen gewachsen war. Speer habe eine „verantwortliche Entscheidung getroffen“, erklärte Generalsekretär Klaus Ness.
Aufatmen auch bei der Linkspartei, beim Koalitionspartner. Fraktionschefin Kerstin Kaiser sagte, Speer mache „den Weg frei, damit sich die Koalition sich wieder auf ihre politischen Gestaltungsvorhaben konzentrieren kann“. Zweifellos scheide mit Speer ein Mann mit „großen Verdiensten für Brandenburg und für seine Partei“ aus der Politik aus. Er sei eine „kantige Persönlichkeit“ die durch einen ernsten Fehler im Privatleben ihre politische Integrität verloren habe, sagte Kaiser.
Die Opposition begrüßte den Schritt, der „unausweichlich war, aber kein Grund zum Jubeln“, wie Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte. „Es war der letzte Freundschaftsdienst“, sagte er. „Hätte Speer weiter gezögert, wäre Platzeck nicht zu halten gewesen.“ Man werde abwarten, ob es nicht dennoch der „Anfang vom Ende des Ministerpräsidenten“ sei. „Der politische Schaden ist längst da“, erklärte FDP-Generalsekretär Andreas Büttner. Speer habe dem Ansehen von Politikern „schweren Schaden“ zugefügt. Der gemeinsame Auftritt von Speer und Platzeck sei offenkundig „Schadensbegrenzung“. Allerdings sei der Regierungschef nicht aus dem Schneider. Und CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski forderte, dass das Disziplinarverfahren gegen Speer nun umgehend eingeleitet werden, und sich Platzeck an die Spitze der Aufklärung stellen müsse, „um alle unsauberen Geschäfte und Affären, wie z.B. die Grundstücksgeschäfte des Landes mit Vorstandskollegen von Speer bei Babelsberg 03 aufzuklären“.
Um den Namen „Speer“ wird es im Landtag noch eine Weile gehen.
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