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Brandenburg: Live-Schaltung in die Ackerstraße

Sie übertragen – und sie übertreiben gnadenlos: Im Club der polnischen Versager läuft die EM

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Berlin - Bis vor einigen Tagen standen hier noch Farbeimer, jetzt sind die Wände im Club frisch gestrichen. Und der Tresen, auch der ist renoviert. Zum Schluss hat Adam Gusowski, 39, noch mal durchgewischt, die Leinwand aufgebaut und den Kühlschrank aufgefüllt. „Tyskie“ verkaufen sie hier stilecht in der Ackerstraße 168, polnisches Bier, drei Euro kostet die Flasche. Denn hier, im „Club der polnischen Versager“, sollte am Freitagabend das EM-Auftaktspiel der polnischen Nationalmannschaft übertragen werden.

In Berlin leben fast 41 000 Polen, sie bilden die zweitgrößte Zuwanderergruppe in der Stadt (nach den Türken und vor den Serben). Auch Gusowski ist in Stettin geboren, im Jahr 1988 kam er nach Berlin, sein Club ist längst eine feste Größe in der Stadt, weil sie dort immer ein paar hübsche Überraschungen parat haben. Am Eröffnungsabend sollte Gitarrenmusik zu hören sein. Und heute, wenn die Deutschen ihr Auftaktspiel bestreiten, wird ein Streichquartett auftreten. „Wir wollen die Situation etwas entspannen“, sagt Gusowski, der privat in einer Freizeitmannschaft Fußball spielt. „Ich bin selber Fußballfan, aber wenn man es sich ganz nüchtern überlegt, dann ist das wirklich nur ein Ball – davon hängt unsere Zukunft nicht ab.“ Dafür werde der Sport viel zu ernst genommen.

Ein bisschen Spaß muss sein. Deshalb werden die polnischen Spiele von Gusowski witzig kommentiert. Reden kann er, denn den Job als Clubchef macht er ehrenamtlich, sein Geld verdient er in erster Linie als Radiomoderator. RBB, WDR, polnischer Rundfunk.  „Kommentiert wird satirisch: Wir kennen uns mit Fußball aus, wir sind immer bestens vorbereitet, kennen alle Spieler und haben auch alle Statistiken im Kopf.“ Und mit dem Schiedsrichter stehen sie natürlich auch immer in Kontakt, auch wenn der gerade 531 Kilometer weiter östlich in Warschau über den EM-Rasen rennt.

Dieses Programm können sie nicht jeden Abend bieten, „nur bei A-Spielen“, sagt Gusowski. Aha. Und was sind A-Spiele? „Die polnischen, die deutschen und die ukrainischen Spiele.“ Die Ukraine ist der zweite EM-Gastgeber. Die B-Spiele übertragen sie klassisch.

Seit 2001 betreibt er mit Piotr Mordel den Club, erst in der Tor-, jetzt in der Ackerstraße. Adam Gusowski, der im polnischen Stettin aufgewachsen ist und vor 20 Jahren nach Deutschland kam, kann sich noch gut an die Gründung des „Clubs der polnischen Versager“ im Jahr 2001 erinnern: „Das Problem war, dass es damals gar keinen richtigen Ort für Polen in Berlin gab. Keinen Treffpunkt. Die Gründung war also auch reiner Eigennutz, inzwischen ist der Club aber nicht nur für uns sehr wichtig geworden, sondern auch für viele Menschen anderer Kulturen, die immer wieder vorbeikommen.“ Die Öffnungszeiten richten sich nach polnischen Gepflogenheiten: „Geöffnet, wenn nicht geschlossen.“ Die Kneipe in der Ackerstraße ist aber nicht der einzige Treff der polnischen Fans, wo in diesen EM-Tagen der Fernseher läuft. Auch wenn es so viele Lokale gar nicht gibt in der Stadt. „Eine richtige polnische Kneipenkultur ist mir nicht bekannt“, sagt Christian Schröter, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft. „Es gibt jedoch eine Reihe von Bars, Diskotheken und Nachtlokalen, die überwiegend von polnischen Gästen besucht werden.“ Neben dem Club der polnischen Versager lädt auch die Deutsch-Polnische Gesellschaft zum gemeinsamen Fußballschauen und zu polnischen Literaturvorlesungen ein – ins Amerika-Haus am Bahnhof Zoo.

Club der polnischen Versager, Ackerstraße 168, Eintritt: 2 Euro. www.polnischeversager.de. Mehr Informationen zu der Deutsch-Polnischen Gesellschaft unter www.dpgberlin.de. Auch im polnischen Restaurant „Pierogarnia“ in der Turiner Straße 21 in Wedding werden alle Spiele übertragen – Öffnungszeiten unter: www.pierogarnia.de

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