Brandenburg: Lkw-Stau in Zweierreihen
Mit „Notlösungen“ soll die Autobahn 12 sicherer werden / Zahl der Toten in diesem Jahr gesunken
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Frankfurt (Oder) - Auf der staugeplagten Autobahn 12 vor der Grenze nach Polen ist Slalomfahren angesagt: Gleich hinter der letzten deutschen Abfahrt Frankfurt-Mitte werden Pkw und Busse seit kurzem auf die linke Fahrbahn hinübergeführt, wo der Reiseverkehr Richtung Grenze und der Gegenverkehr jetzt mit je einer Spur auskommen muss. Damit wurde Platz geschaffen für die Lastzüge, die auf dem vier Kilometer langen Autobahnstück nun in zwei Reihen gestaut werden. Vor der Oderbrücke müssen die Lastzüge freilich wieder auf eine Spur „zusammenrücken“, erst vor der Passkontrolle auf polnischer Seite wird der Lkw-Verkehr auf drei Abfertigungsspuren entflochten.
Die vor rund drei Wochen eingeführte neue Verkehrsführung hat sich nach ersten Einschätzungen der Polizei bewährt. Die Lkw-Rückstaus sind etwas kürzer geworden, aber längst nicht verschwunden. Vor allem an Samstagen reichen die Lastzugschlangen vor dem wichtigsten deutsch-polnischen Grenzübergang häufig viele Kilometer weit zurück, was mitunter auch den Pkw-Verkehr nach Frankfurt behindert und immer wieder zu Unfällen führt. Um die Autobahn sicherer zu machen, war im vergangenen Jahr bereits ein Limit von Tempo 80 auf dem letzten Abschnitt vor Frankfurt sowie ein Lkw-Überholverbot auf fast der gesamten A 12 eingeführt worden.
„Alle Maßnahmen zusammen haben schon eine Verbesserung der Situation gebracht“, sagt der Sprecher des Schutzbereichs Oder-Spree, Burkhard Lehmann. Die Unfallzahlen auf der A 12 seien leicht zurückgegangen. Waren nach seinen Angaben im ersten Halbjahr 2006 sieben Tote zu beklagen, so starben in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fünf Menschen. Vier von ihnen kamen bei einem einzigen Unfall ums Leben, als ein polnischer Kleintransporter im März am Ende des Grenzstaus auf einen Lastzug auffuhr. Im Juni starb ein polnischer Transportfahrer ebenfalls bei einem Unfall am Stau.
Die A 12 sei noch längst keine „normale Autobahn“, sagt Lehmann.
Das zeigt der polizeiliche Alltag: Trotz blinkender „Stau“-Schilder und warnender Blaulichtwagen kommt es immer wieder zu Auffahrunfällen. Gegen unaufmerksame Fahrer könne auch die Polizei nichts ausrichten. Zudem wird laut Lehmann zu viel gerast: Erst in dieser Woche wurde ein polnischer Pkw-Fahrer vom Videowagen der Polizei gestoppt, der auf dem Tempo-80-Abschnitt vor Frankfurt mit 193 Stundenkilometern unterwegs war. Hinzu kommen Fußgänger auf der Autobahn, die mit dem Benzinkanister in der Hand zur nächsten Tankstelle laufen, oder - wie ebenfalls in dieser Woche geschehen - mehrere Polen, die ein wegen eines leeren Tanks liegengebliebenes Auto auf der A 12 schoben. Einer der Männer brach dabei zusammen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Auch „Geisterfahrer“ sind unterwegs, wie am Donnerstag, als ein Pkw-Fahrer die Lkw-Fahrbahn zur Grenze erwischt hatte und einfach wieder zur Anschlussstelle Frankfurt-Mitte zurückfuhr.
Angesichts des Jahr für Jahr anwachsenden Lkw-Verkehrs sehen viele Beteiligte die bisher getroffenen Maßnahmen als „Notlösungen“ an. Einem nicht nur in Frankfurt, sondern selbst von einigen Landtagsabgeordneten geforderten sechsspurigen Ausbau der A 12 gibt das Potsdamer Infrastrukturministerium derzeit aber keine Chancen: Dafür reichten die Verkehrszahlen von 30 000 bis 35 000 Fahrzeugen am Tag nicht aus, die „Schallmauer“ liege bei rund 65 000, sagt Sprecher Lothar Wiegand.
Hoffnungen setzt die Polizei indes in die angekündigte Verkehrsbeeinflussungsanlage, die den Verkehrsfluss auf der A 12 auf rund 20 Kilometer Länge von Briesen bis zur Grenze flexibel steuern soll. Autofahrer würden ein elektronisches Tempolimit eher akzeptieren als die derzeit starre Tempo-80-Regelung. Ob die Anlage wie angekündigt im Herbst installiert wird, ist bisher allerdings offen. Einen Termin gebe es noch nicht, heißt es beim brandenburgischen Landesbetrieb für Straßenwesen.
Auch die Hoffnungen, dass der Lkw-Verkehr nach dem für 2008 angekündigten Wegfall der Grenzkontrollen ohne Behinderungen fließen wird, werden längst nicht von allen geteilt. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass es ganz ohne Staus abgehen wird“ sagt der Amtsleiter des Bundespolizeiamtes Frankfurt (Oder), Bodo Kaping. Die Grenzabfertigungsanlage bleibe ein Nadelöhr, das die Lastzüge nicht mit Tempo 80 durchfahren könnten. Zudem werde die A 12 hinter der Grenze zur Landstraße. Er rechnet damit, dass sich die Lage erst nach dem Bau der polnischen Autobahn verbessern wird.
Jörg Schreiber
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