Brandenburg: Lotsen für Alkoholkranke
Landesstelle gegen Suchtgefahren will mit Modellprojekt Rückfallquote bei Trinkern senken
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Potsdam - Mit einem neuartigen Modellprojekt will die Brandenburgische Landesstelle gegen die Suchtgefahren (BLS) die Rückfallquote von alkoholkranken Menschen senken. „Ein landesweites Netzwerk aus ehrenamtlichen Lotsen sowie Suchtexperten an Kliniken soll Trinkern nach einem Entzug helfen, einen Alltag ohne Alkohol zu meistern“, sagt Claus Niekrentz, der sich seit 15 Jahren in der Landesstelle gegen Drogen und Suchtmittel engagiert und den Lotsendienst initiiert hat.
In Kürze soll das Netzwerk seine Arbeit aufnehmen. Dazu wurden in einem Wochenend-Seminar bei Potsdam die ersten 20 Lotsen, die zwischen 30 und 60 Jahre alt sind, für ihre Betreuungstätigkeit geschult. Eine zweite Schulung soll im Januar 2008 folgen. Die über 40 Interessenten aus ganz Brandenburg, zwei Drittel davon Männer, nehmen damit eine besondere Herausforderung an. Durch die Betreuung der Alkoholkranken setzen sie sich erneut mit ihrer eigenen Trinksucht in der Vergangenheit auseinander. „Die Lotsen stammen aus Selbsthilfegruppen für ehemalige Alkoholiker und müssen seit mindestens zwei Jahren abstinent sein“, erläutert Niekrentz. Sie sollen dann für die Betroffenen nach dem Entzug eine Zeit lang als Ansprechpartner im täglichen Leben zur Seite stehen.
Dass übermäßiger Alkoholkonsum im Land Brandenburg ein Problem ist, belegen Schätzungen der BLS für 2006. Danach sind etwa 47 500 Brandenburger alkoholabhängig. Knapp 300 000 Personen trinken Alkohol „in riskantem Ausmaß“, das bedeutet einen täglichen Konsum von mehr als 12 Gramm reinem Alkohol bei Frauen und über 24 Gramm bei Männern. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen enthält eine Flasche Wein bereits bis zu 100 Gramm reinen Alkohol.
Allein 1300 alkoholbedingte Todesfälle gab es laut BLS-Statistik im Vorjahr in Brandenburg. Mehr suchtbedingte Todesfälle gibt es nur durch Tabakkonsum (4400). Obwohl es bei 700 000 Rauchern „mit riskantem Tabakkonsum“ weit mehr Betroffene gebe, sei es wichtig, mehr Hilfsangebote für Alkoholiker ins Leben zu rufen, sagt Niekrentz. „Das Zigarettenrauchen birgt zwar starke gesundheitliche Risiken in sich, Alkoholsucht kann jedoch das ganze Leben mit Familie, Job und Freundeskreis zerstören“, betont er.
Um diese Gefahr zu bannen, können Alkoholkranke nach der Entgiftung in einer Klinik das Angebot des Lotsendienstes annehmen.
Neben dem Krankenhaus Angermünde, in dem Chefärztin Gudrun Richter als Suchtbeauftragte der Landesärztekammer Brandenburg das Projekt mitbetreuen will, haben bislang sechs weitere brandenburgische Krankenhäuser ihre Mitarbeit in dem bundesweit bislang einmaligen Netzwerk angemeldet. Zwischen dem Patienten, dem Lotsen sowie dem Krankenhaus werde dann eine auf drei Monate befristete Vereinbarung zur Zusammenarbeit abgeschlossen.
Dabei könne der Patient selber festlegen, wann und wie oft er vom Lotsen betreut werden will. „Im Großen und Ganzen soll der Lotse Ansprechpartner sein, allgemeine Lebenshilfe geben und beobachten, ob und wo der Patient Hilfe von Fachleuten braucht“, sagt Niekrentz.
Ziel des Projekts, das zunächst auf drei Jahre festgesetzt sei und von der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen im Land Brandenburg mitfinanziert werde, ist es, das Rückfallrisiko für den Patienten zu verringern. „Dauerhafte Alkoholabstinenz zu erreichen ist ein hehres Fernziel“, sagt er aus jahrelanger Arbeitserfahrung.
Die ersten Etappen des Projektes werden in anderen Bundesländern beobachtet. „Thüringen und Sachsen sind interessiert, ein ähnliches Modell auf die Beine zu stellen“, weiß Niekrentz.
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