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Brandenburg: Luther und der „Bad Boy“ von Jüterbog
Am Montag wird das Festjahr zum 500. Reformationsjubiläum eröffnet. Brandenburg ist startklar
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Jüterbog - Arme Sünder im Fegefeuer, ein rettender Engel und die betende Mutter Maria: Mit drastischen Bildern blickt der Jüterboger Cranachaltar ins Jenseits. Das Kunstwerk über die Angst vor Höllenqualen und die Hoffnung auf Erlösung ist eines der Hauptexponate der brandenburgischen Veranstaltungen zum 500. Reformationsjubiläum 2017. Kultur und Tourismus haben sich lange darauf vorbereitet und bieten nun ein umfangreiches Programm an – vorneweg die Stadt Jüterbog.
Als „Stadt des Anstoßes der Reformation“ will sich der Ort im Fläming selbstbewusst präsentieren. Denn hier soll der Dominikanermönch Johann Tetzel seine umstrittenen Ablassbriefe zum Erlass von Sünden verkauft haben, die den Augustinermönch Martin Luther zu empörtem Widerspruch und seinen berühmten 95 Thesen veranlasst haben sollen. „Der Anstoß zur Reformation kam somit aus Jüterbog“, fasst der Tourismusverband Fläming die Geschichte knapp zusammen.
Höhepunkt des Jubiläumsjahres in Jüterbog wird die Ausstellung „Tetzel, Ablass, Fegefeuer“. Dort soll der „Bad Boy der Reformation“ im Herbst 2017 erstmals umfangreich mit zahlreichen Originalquellen vorgestellt werden, betont der Tourismusverband. In der Ausstellung werden neben dem Fegefeuer-Altar von Cranach auch die 106 Gegenthesen, mit denen Tetzel Luther geantwortet hat, im Originaldruck gezeigt.
Auch der berüchtigte Tetzelkasten aus der evangelischen Nikolaikirche der Stadt ist Teil der Ausstellung. Er steht nicht nur für den Reichtum, den die Kirche damals mit der Angst der Gläubigen gemacht hat, sondern auch für die verhängnisvollen Folgen des Ablasshandels für Tetzel selbst. Denn der Legende nach hat Ritter Hans von Hake bei dem Mönch einen Ablass für eine noch nicht begangene Sünde in der Zukunft gekauft – und dann Tetzel überfallen und seinen Holztresor geraubt.
Eröffnet wird das Themenjahr zur Reformation von Kulturland Brandenburg am 5. Mai 2017 in Frankfurt (Oder). Denn auch diese Stadt beansprucht für sich einen wichtigen Platz in der Reformationsgeschichte. Die Stadt habe damals „keine unwesentliche Rolle“ gespielt, denn als Tetzel dort 1517 einzog, sei er im Ort freudig begrüßt worden, heißt es bei der Stadt: „Hier, an der neu gegründeten Universität, entstanden die Gegenthesen zu Luthers 95 Thesen.“ Frankfurt an der Oder habe sich so zunächst zum „Anti-Wittenberg“ entwickelt, sei dann jedoch 1539 nach dem Übertritt des kurfürstlichen Landesherrn zum Luthertum und getragen von der Bürgerschaft der Stadt „zu einem zentralen Dreh- und Angelpunkt der Reformation“ geworden.
Die Reformationsgeschichte von Frankfurt (Oder) wird im Jubiläumsjahr von Mai bis Oktober in der Ausstellung „Bürger – Pfarrer – Professoren“ an drei Standorten thematisiert, im Mittelpunkt steht die Marienkirche mit ihren spätmittelalterlichen und reformationszeitlichen Kunstschätzen. Beide Ausstellungen sind Teil der jährlichen landesweiten märkischen Veranstaltungsreihe „Kulturland Brandenburg“, die 2017 dem Thema „Luther und die Folgen“ gewidmet ist.
„Brandenburg ist startklar für das Reformationsjubiläum“, sagt Kulturland-Geschäftsführerin Brigitte Faber-Schmidt. Im Land sollen 2017 insgesamt rund 500 verschiedene Veranstaltungen stattfinden. Dazu gehören Ausstellungen, Konzerte, Feste, Filme, Theater, Musical und weitere Projekte. Gezeigt werde damit, welche gesellschaftlichenVeränderungen die Reformation angestoßen und welchen Einfluss diese bis heute etwa auf unsere Wertevorstellungen oder unserDemokratieverständnis habe, sagte Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) am Freitag in Potsdam. „Das Nachdenken über 500 Jahre Reformation wird auch den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs beflügeln“, sagte sie. Man erhoffe sich positive Auswirkungen auf den Kulturtourismus. „Wir sind nicht missionarisch unterwegs, sondern haben die kulturhistorische Perspektive im Blick“, erklärte Kulturland-Geschäftsführerin Brigitte Faber-Schmidt. Im Vordergrund stehe, das Alltagsleben der Menschen zur Zeit der Reformation darzustellen.
Zu den Höhepunkten zählen mehrere Ausstellungen. Im einstigen mittelalterlichen Wallfahrtsort Bad Wilsnack, der nach dem Aus für die Pilgerfahrten durch die Reformationen ins wirtschaftliche Abseits geriet, wird die Ausstellung „Sünde, Tod und Fegefeuer“ gezeigt. Sie greift die Wilsnacker Legende der Hostienschändung und spätmittelalterliche Jenseitsvorstellungen auf. Auch in Mühlberg an der Elbe, Bernau, Prenzlau, Luckau, Kloster Lehnin, Doberlug-Kirchhain und anderen Orten sind Ausstellungen geplant. Die Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“ präsentiert in mehreren Ort zudem spannende Geschichten zur Reformation, hieß es weiter.
Das Museum im Dom zu Brandenburg an der Havel, der als Wiege der Mark gilt und im Zuge der Reformation protestantisch wurde, zeigt eine Ausstellung über die Weiterverwendung vorreformatorischer Religionszeugnisse im Zuge der kirchlichen Erneuerungsbewegung. Ein weiterer Höhepunkt des Kulturland-Jahres soll die Ausstellung „Reformation und Freiheit“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam werden, die im Herbst 2017 die „Sprengkraft der reformatorischen Glaubensinhalte“ zum Thema machen will.
Ganzjährig finden zahlreiche Konzerte vor allem in Klosterkirchen statt, betonte zudem Christoph Wichtmann vom Verein Kulturfeste im Land Brandenburg. Dabei spiele Musik zur Person Martin Luthers eine wichtige Rolle, aber auch das Aufeinandertreffen der Reformation mit der katholischen Welt werde thematisiert. Zu hören ist auch weltliche Musik aus der Epoche. In Schwedt soll das Musical „Martin L., Rebell“ uraufgeführt werden.
Das Land Brandenburg fördert seit 2011 bis 2017 Projekte zum Reformationsjubiläum mit 1,2 Millionen Euro. Die Landeskirche steuert zu den Veranstaltungen in der Mark 100 000 Euro bei. An der Finanzierung beteiligt sind Veranstalter selbst sowie Förderer und Spender.
www.kulturland-brandenburg.de
Yvonne Jennerjahn, Christine Xuân Müller
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