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Dominant. Immer mehr Mais wird als Energiepflanze angebaut – ökologisch ist daran oft wenig.

© dpad

Brandenburg: Mais statt Milchkuh

Noch nie wurde im Land so viel Mais angebaut. Die Energiepflanze verdrängt andere Agrar-Produkte

Von Matthias Matern

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Potsdam - Ein gut gemeinter Ansatz wird zum Problem: Seit 2005 hat die Zahl der Biogasanlagen zur Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen im Land Brandenburg enorm zugelegt, doch weil gleichsam der Bedarf an Biomasse steigt, wird immer mehr Mais auf Brandenburgs Äckern gepflanzt. Auch einen Namen hat die zweifelhafte Entwicklung bereits. Experten sprechen von „Vermaisung.“ Die Folgen sind Arbeitsplatzabbau, ausgelaugte Böden und eine Verdrängung seltener Tierarten.

Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg wurde landesweit noch nie so viel Mais angebaut wie derzeit. In diesem Jahr wachse die Energiepflanze auf einer Fläche von 167 000 Hektar. Das seien acht Prozent mehr als im Jahr 2010. Der Zuwachs sei vor allem dem Einsatz in den Biogasanlagen geschuldet, heißt es weiter. Im Gegenzug sei die Anbaufläche für Roggen und Wintergerste geschrumpft. „Beim Anbau von Biomasse sind wir an der Grenze angelangt. Immer mehr Grün- und Brachland wird in Ackerfläche umgewandelt. Damit werden wichtige Rückzugsgebiete für seltene Tierarten zerstört“, warnt Axel Kruschat, Geschäftsführer des Landesverbandes Brandenburg beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND).

Von der brandenburgischen Landesregierung fordert Kruschat deshalb ein Eingreifen. Zwar werde eine geplante Biogasanlage auf ihre technische Sicherheit und Umweltverträglichkeit geprüft, ob der Anbau der benötigten Biomasse aber umweltverträglich ist, werde nicht untersucht. „Das Land will immer viel von allem: Windkraft, Photovoltaik, Biomasse, Braunkohle. Wir brauchen endlich eine Debatte über die Frage, wie viel Energie im Land Brandenburg eigentlich überhaupt erzeugt werden muss“, sagt Kruschat.

Gerade erst hat die brandenburgische Landesregierung ihre Biomassestrategie vorgestellt. Bis 2020 wollen SPD und Linke die Biomasse zur zweitwichtigsten alternativen Energiegewinnung nach der Windkraft ausbauen. Am geschätzten Primärenergieverbrauch von dann rund 600 Petajoule (Pj) soll die Biomasse 49 Pj beisteuern, die Windkraft rund 55 Pj. 2006 lag der Anteil der Biomasse am Primärenergieverbrauch bei 38,9 Pj.

Um das ausgegebene Ziel zu erreichen, muss die Menge der zur Verfügung stehenden Biomasse erhöht werden. 2009 seien auf knapp 16 Prozent der im Land zur Verfügung stehenden Äcker Mais angebaut worden heißt es im Strategiepapier. Etwa 28 Prozent davon seien für den Einsatz in Biogasanlagen vorgesehen. In den kommenden neun Jahren solle der Anteil von nachwachsenden Rohstoffen zur Energiegewinnung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen weiter auf bis zu 30 Prozent steigen. Zwar spielen in den Planungen des Landes auch organische Abfälle, Waldbäume und schnellwachsende Gehölze für die Energiegewinnung eine wichtige Rolle, doch gilt der Mais bislang im Vergleich der Erzeugungskosten mit dem Energieertrag als das wirtschaftlichste Biogassubstrat.

Kein Wunder also, dass immer mehr Bauern in das lukrative Geschäft mit dem Kolbengewächs einsteigen. Auch außerlandwirtschaftliche Investoren mischen kräftig mit und kaufen im großen Stil Agrarflächen auf. So groß ist der Landhunger, dass die EU 2009 sogar die verpflichtende Flächenstilllegung abschaffte, mit der jahrelang die Überproduktion in der EU-Landwirtschaft reguliert wurde. Nun können, aber müssen Bauern nicht mehr ihre Äcker liegen lassen. Und offenbar ist der Energiepflanzenanbau verlockender als die Ausgleichszahlungen der EU – sehr zum Leidwesen der Naturschützer: Viele dieser Brachflächen sind mit der Zeit wieder zu Lebensräumen bedrohter Pflanzen und Kleintiere geworden. Laut der brandenburgischen Biomassestrategie betrug der Anteil an Stilllegungs- und Brachfläche 2007 aufgrund der Stilllegungsverpflichtung landesweit noch knapp 10 Prozent. Nach Wegfall dieser Verpflichtung 2008 habe sich ihr Anteil bis 2009 auf 4,6 Prozent verringert, heiß es weiter. Gleichzeitig ist die Zahl der Biogasanlagen rasant gestiegen, von 34 Anlagen im Jahr 2005 auf 176 bis Ende 2009. Aktuell dürften es mindestens 200 Stück sein.

Obwohl Brandenburgs Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) für das Biomassepapier mit verantwortlich ist, scheint man im Ministerium nicht sonderlich begeistert zu sein vom märkischen Maisboom. „Die Nachfrage nach Mais ist sehr groß, manche Landwirte haben deshalb ihre Milchkühe abgeschafft“, berichtet Ministeriumssprecher Jens- Uwe Schade. In einigen Fälle seien bereits Arbeitsplätze in der Tierhaltung weggefallen. „Wir finden diese Entwicklung nicht positiv“, stellt Schade klar.

Doch nicht nur Tiere und Arbeitsplätze werden verdrängt, auch die ohnehin schon schwachen märkischen Böden leiden. „An einigen Stellen sind die Folgen bereits zu erkennen. Weil Mais ohne Fruchtwechsel Jahr für Jahr auf den selben Flächen angebaut wird, zehrt die Humusschicht immer mehr aus“, schildert BUND-Landesgeschäftsführer Kruschat. Davor warnt auch Reinhard Jung vom Bauernbund Brandenburg. „Wenn man immer nur Mais anpflanzt und die ganze organische Masse stets wegfährt, bleibt irgendwann nur noch Dünensand übrig.“

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