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Brandenburg: Marzahn heizt sich auf

Demo gegen Flüchtlingsheim: Laut Staatsschutz war gut die Hälfte der Teilnehmer Neonazis

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Nach Einschätzung des Staatsschutzes gehörte gut die Hälfte der Demonstranten bei der „Nein zum Heim“-Demo am Samstag in Marzahn zur Gruppe der gewaltbereiten Neonazis oder ist in rechtsextremistischen Parteien aktiv. Dies sagte der Leiter des Staatsschutzes, Oliver Stepien, am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Prozentzahlen nannte er nicht, „wir stellen ja nicht von allen die Personalien fest“. Eine überwältigende Mehrheit sei es nicht, Stepien sprach von einer Tendenz. Polizeipräsident Klaus Kandt sagte, dass die Polizei deshalb bewusst nicht von „rechten“ Demos spreche, sondern von „Heimgegnern“.

Die Organisatoren der Demo, die „Bürgerbewegung Marzahn“, wiesen den Vorwurf, von Rechten unterwandert oder bestimmt zu sein, vehement zurück. Die Initiative kritisierte vor allem, dass Anwohner von Polizeisperren abgeschreckt worden seien. Diese Beobachtung wurde selbst von linken Gruppen wie dem „Netz gegen Nazis“ bestätigt. Linksextremistische Gruppen behaupteten dagegen, dass nur „Nazis“ in Marzahn demonstriert hätten.

Nach den mehrstündigen Auseinandersetzungen zwischen Heimgegnern und Flüchtlingsfreunden ist das Klima in Marzahn vergiftet. Am Sonntag wurden Kerzen an der Raoul-Wallenberg-Straße entzündet, weil ein 14-jähriges Mädchen dort angeblich von einem Stein getroffen worden sein soll, geworfen von linken Gewalttätern. Die Polizei kann das nicht bestätigen. In zahllosen Beiträgen auf der Facebookseite der „Bürgerbewegung Marzahn“ wird Rache geschworen.

Auf einem Brachgrundstück in der Nähe der Kreuzung Landsberger Allee/Blumberger Damm plant Gesundheitssenator Mario Czaja – wie in anderen Bezirken auch – den Bau eines Flüchtlingslagers aus Containern. Der Polizeieinsatz vom Samstag wurde im Innenausschuss am Montag ausführlich diskutiert. Wie berichtet war es der Polizei zum Schluss nicht gelungen, das rechte und linke Lager zu trennen. Kandt sprach von einer „emotionalen und aggressiven Stimmung“ beider Gruppen, die die „Auseinandersetzung gesucht und gefunden haben“. „Es ist nicht in jedem Moment, aber im größten Teil gelungen, beide Seiten zu trennen“, so der Polizeipräsident.

Der „größte Teil“ waren die drei Stunden, in denen die Heimgegner nicht loslaufen durften, weil Linke die Straßen blockierten. Als die verbliebenen 350 Heimgegner plötzlich loslaufen durften, brach eine größere Gruppe gewaltbereiter Autonomer durch und begleitete die Demonstration regelrecht. Beide Seiten warfen nach Polizeiangaben Böller und Steine.

Die Beamten nahmen 14 Personen fest, ob sie aus dem rechten oder linken Lager stammen, konnte Kandt nicht sagen. In Marzahn gab es zudem 40 kurzzeitige Freiheitsentziehungen. 55 Strafverfahren unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung wurden eingeleitet. 22 Polizisten wurden verletzt. Wie Kandt sagte, sei die „Örtlichkeit nicht einfach für die Polizei“ gewesen. In lose bebauten Plattenbausiedlungen können gewaltsuchende Demonstranten Polizeisperren leichter umlaufen als in der Innenstadt.

Die grüne Abgeordnete Canan Bayram kritisierte den Polizeieinsatz vom Samstag scharf: „Schwer vorstellbar, dass das so geplant war.“ Kandt und der Justiziar der Polizei, Oliver Tölle, betonten im Innenausschuss, dass es keinerlei rechtliche Möglichkeiten gegeben habe, die Versammlung der Heimgegner zu verbieten oder aufzulösen.

Am Montagabend sind erneut Hunderte Anwohner und Rechtsextreme gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften auf die Straße gegangen. Nach Polizeiangaben folgten knapp 1000 Menschen dem Demonstrationsaufruf und zogen durch das Stadtviertel. An einer parallelen Gegenkundgebung der linken Szene beteiligten sich etwa 150 Protestierende. Die Polizei hatte nach den Worten eines Sprechers rund 500 Beamte im Einsatz. Jörn Hasselmann (mit dpa)

Jörn Hasselmann (mit dpa)

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