Brandenburg: Mehr Gewalt gegen Beamte
Brandenburgs Innenminister beklagt „Autoritätsverlust des Rechtsstaates“
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Potsdam - Polizeibeamte in Brandenburg werden häufiger Opfer von Gewalt. Wie eine aktuelle Statistik des Innenministeriums in Potsdam zeigt, wurden im vergangenen Jahr 1038 Gewaltdelikte von Beamten angezeigt. Im Vorjahr waren es 70 weniger. Es wurden auch mehr Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte registriert, 2013 waren es 800, 2012 sind in der Statistik 739 Fälle ausgewiesen. Insgesamt stieg die Anzahl der Straftaten gegen Polizeibeamte von 1065 auf 1121. Die Zahl der Verletzten nahm 2013 ebenfalls zu, von 183 auf 211 – darunter waren auch zwei Schwerverletzte. Im Vorjahr hatte es laut Statistik nur Leichtverletzte gegeben.
Die meisten Fälle von Gewalt ereigneten sich bei Routineeinsätzen, sagte Ingo Decker, Sprecher des Innenministeriums. Er machte für den Anstieg der Gewalt vor allem zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Polizisten verantwortlich. Viele Fälle von Beleidigungen oder Rüpeleien würden von den Beamten gar nicht angezeigt, hieß es. Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspiele seien nicht in erster Linie das Problem. Bedenklich sei vielmehr ein „Autoritätsverlust des Rechtsstaates“, auf dessen Grundlage die Polizisten ihre Arbeit verrichteten. Dies mache Routineeinsätze gefährlicher als bisher. Als Beispiele nannte Decker Fälle von Ruhestörung oder häuslicher Gewalt, die häufiger als früher unversehens eskalierten.
Eine Verbindung zum geplanten Personalabbau im Zuge der Brandenburger Polizeireform sieht Decker nicht. „Wir fahren bisher mit zwei Beamten Streife, und wir werden auch künftig mit zwei Beamten Streife fahren“, sagte er. Fehlendes Personal sei nicht für den Anstieg der Gewalt verantwortlich.
Die CDU widerspricht: „Vielfach muss ein Beamter aufgrund der dünnen Personaldecke gerade im Streifendienst alleine Streife fahren, um die Funkstreifenwagen zu besetzen“, betonte der innenpolitische Sprecher Björn Lakenmacher. „Das ist gerade im Hinblick auf die Sicherheit und notwendige Eigensicherung der Polizisten problematisch und führt dazu, dass der Polizeidienst in Brandenburg gefahrgeneigter wird, als er ohnehin schon ist.“
Andere Experten halten die Meinung des Innenministeriums für Alarmismus. Rafael Behr etwa, ein in Deutschland führender Polizeiwissenschaftler und Professor für Kriminologie und Soziologie an der Hochschule der Polizei Hamburg, sieht keinen Grund zur Panikmache. Die Warnungen vor zunehmender Gewalt gegen Beamte sieht er als „die gewohnten Dramatisierungen“. In vielen Fällen, in denen es später zu Gewalt oder Widerstand komme, lasse auch der Respekt der Beamten gegenüber dem Bürger zu wünschen übrig. Eigentlich komme die Polizei mit physischer Gewalt gut zurecht. „Das Problem scheint mir eher eine Entfremdung der Polizei von der Bevölkerung zu sein, mit der sie zu tun hat“, sagte Behr. Es gehe um Kommunikationskonflikte. „Die Erwartung der Polizisten an die Bevölkerung wird nicht mehr erfüllt, dass nämlich die Bevölkerung anständig mit ihnen umgeht.“ Von Menschen aus prekären Lebensmilieus könne man als Profi für Konfliktarbeit nicht erwarten, dass sie dankbar gegenüber der Polizei sind. dpa, axf
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