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Volle Fahrt übers Land. Vor allem an großen Bundesstraßen beklagen Anwohner eine Zunahme des Lkw-Verkehrs seit Einführung der Maut für Autobahnen. Zumindest für das Land Brandenburg lässt sich eine Verlagerung des Schwerverkehrs jedoch nicht belegen.

© dpa

Von Matthias Matern: Mehr Maut gegen mehr Lärm

Um Lkw auf Autobahnen zu zwingen fordern auch die Länder Gebühren für Bundesstraßen

Von Matthias Matern

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Potsdam/Berlin - Knapp drei Jahre müssen die rund 250 Einwohner von Kuhbier die Erschütterungen, den Dieselgestank und das laute Poltern noch ertragen, dann soll die Umgehungsstraße endlich fertig sein. „Die Vorbereitungsmaßnahmen haben bereits begonnen“, freut sich Ortsvorsteher Kurt Essel. Das kleine Dorf in der Prignitz liegt direkt an der Bundesstraße 189, die auf ihrem Weg aus dem nördlichen Brandenburg nach Süden die Autobahnen 24 bei Wittstock und die A2 bei Magdeburg kreuzt. Für Lkw-Fahrer eine willkommene Abkürzung, die obendrein auch noch Mautgebühren spart, ist sich Essel sicher. „Für uns war die Einführung der Lkw-Maut ein Fluch“, meint der Ortsvorsteher. Bis zu 600 Lkw würden täglich zwischen sieben Uhr morgens und 20 Uhr am Abend durch den Ort rumpeln. „Es ist nicht mehr zu ertragen.“

Auch vor der Einführung der Autobahn-Nutzungsgebühr für Lkw 2005 sind häufig Lastwagen durch den Ort gerollt. Das räumt Essel ein. Deshalb hatte Kuhbier bereits 1993 eine Umgehungsstraße beantragt. Doch mit der Maut sei alles noch schlimmer geworden, findet der Ortsvorsteher. „Manche Häuser haben bereits Risse wegen der Vibrationen. Bei anderen spritzt das Wasser aus den Pfützen durch die geöffneten Fenster, wenn ein Lkw vorbeifährt.“ Zuletzt habe Ex-Landesverkehrsminister Reinhold Dellmann (SPD) 2008 bei einem Vor-Ort-Termin den Baubeginn versprochen, erinnert sich Essel. „Dann kam 2009 die Wahl, später die Haushaltssperre.“

Wie den Kuhbierern geht es vielen Anwohnern von Bundesstraßen, etwa an der B5 im Havelland, oder der B96 im Kreis Oberhavel. Dass die Lkw-Maut zu einer Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Bundesstraßen geführt hat, lässt sich jedoch zumindest für das Land Brandenburg nicht mit Zahlen belegen. Mehr als 100 Zählstellen betreibt der Landesbetrieb Straßenwesen landesweit. Rechnet man den krisenbedingten Einbruch der Jahre 2008 und 2009 hinaus, hat der Lkw-Verkehr eher generell zugenommen. Damit aber wäre ein Anliegen der Maut-Befürworter gescheitert. Ziel der Einführung sei es gewesen, schreibt das Bundesverkehrsministerium auf seiner Internetseite, „Anreize zur ökologisch sinnvollen Verlagerung des Gütertransports auf die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße“ zu schaffen.

Doch nach wie vor dominiert der Lkw-Transport den Güterverkehr. Rund 80 Prozent der Waren werden nach Angaben des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums über die Straße geliefert, dagegen nur 17 Prozent auf der Schiene. Nur rund drei Prozent kommen auf dem Wasserweg. „Am Verhältnis hat sich in den vergangenen Jahren eigentlich nichts verändert“, meint Wulfram Overmann vom Branchennetzwerk Logistiknetz Berlin-Brandenburg. „Mit dem Lkw kommen sie ohne umzuladen rund um die Uhr von Rampe zu Rampe“, erläutert Overmann. Das könnten weder der Schienenverkehr noch die Binnenschifffahrt leisten.

Da sich der Lkw-Transport offenbar nicht per Gesetz eindämmen lässt, so soll er wenigstens stärker auf die Autobahnen gezwungen werden. Bereits im Juni hatte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) für das kommende Jahr eine Lkw-Maut auch für Bundesstraßen angekündigt. Anfang des Monats verlangten die Landesverkehrsminister auf der Verkehrsministerkonferenz in Weimar Taten. „Die Minister haben den Bund aufgefordert, Strecken zu benennen, auf denen eine Maut eingeführt werden könnte“, berichtet Jens-Uwe Schade, Sprecher des brandenburgischen Infrastrukturministeriums. Dies sei auch eine Forderung des Bundesrechnungshofes, so Schade. Zuerst aber sollten Daten erhoben werden.

„Eine Lösung ist das nicht. Dadurch wird der Druck auf die Landesstraßen noch größer“, glaubt Dietrich Huckshold, Ortsvorsteher von Güterfelde im Kreis Potsdam-Mittelmark. Auch um mautpflichtige Kilometer auf dem Berliner Ring zu sparen, würden Lkw-Fahrer auf ihrem Weg nach Potsdam häufig die alte Landesstraße 40 als Abkürzung zwischen der ausgebauten Bundesstraße 101 und der Nutheschnellstraße nutzen. „Das geht ab morgens um fünf Uhr los. Eine enorme Belastung“, berichtet Huckshold.

Doch wie in Kuhbier, so soll auch in Güterfelde der Spuk in rund drei Jahren vorbei sein. Der Ort erhält ebenfalls eine Umgehungsstraße. Dann rauschen die Lkw zwar wohl immer noch über die L40, aber wenigstens nicht mehr direkt durch Güterfelde.

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