Brandenburg: Mehr Personal für Sozialgerichte Protest hat gewirkt.
Lage weiter angespannt
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Potsdam - Der Protest hat offenbar gewirkt: Sechs zusätzliche Richter sollen die angespannte Situation an Brandenburgs Sozialgerichten entschärfen. Zum 1. Oktober werden die jungen Juristen ihren Dienst antreten, teilte das von Helmuth Markov (Linke) geführte Justizministerium am Mittwoch in Potsdam mit. Die Belastung der vier Gerichte Potsdam, Neuruppin, Frankfurt (Oder) und Cottbus geht vor allem auf die Einführung der Hartz-IV-Gesetze zurück. Seit 2005 hat sich die Zahl neuer Verfahren laut Ministerium nahezu verdoppelt auf 24 136 (2013). Um die Klage-Flut zu bewältigen, machten die Beschäftigen Überstunden und das Personal wurde aufgestockt: Laut Ministerium gab es Ende 2008 etwa 50 Richter und 90 Mitarbeiter, im September 2014 waren es knapp 70 Richter und mehr als 110 Mitarbeiter.
Trotzdem gelang es nicht, der Lage Herr zu werden: Die Anzahl offener Verfahren ist 2014 nach Angaben des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg weiter gestiegen. Bis Ende Juni blieben seit Jahresbeginn 35 603 Verfahren unerledigt – ein Anstieg von 1,5 Prozent. In einem Großteil der Verfahren wird um die Grundsicherung für Arbeitsuchende gestritten. Nach Angaben eines Sprechers blieben bis Ende Juni rund 21 162 dieser Fälle unerledigt – ein Plus von zwei Prozent gegenüber dem Jahresbeginn. Damit droht eine weitere Verlängerung von Wartezeiten für Kläger. Knapp sieben Prozent der Verfahren waren zu Jahresbeginn bereits drei Jahre und länger anhängig, hieß es im August. Wegen überlanger Verfahren hatte das Landessozialgericht in Potsdam im vergangenen Februar Klägern in mehreren Fällen Entschädigungen zugesprochen. So erhielt ein Mann aus Südbrandenburg laut Gericht 3 600 Euro, weil er seit acht Jahren auf ein Urteil des Sozialgerichts Cottbus wartete.
Bereits im Januar hatte der Vizepräsident des Landessozialgerichts, Herbert Oesterle, in einem einmaligen Vorgang ausgerechnet zum Amtswechsel des Linke-Politikers Helmuth Markov vom Finanz- zum Justizminister wegen des akuten Personalmangels Alarm geschlagen und vor einer anhaltenden Notlage gewarnt. Er hatte zügige Aufstockung des Personals von 70 Richtern um zehn Prozent – also 7 Stellen – gefordert. Oesterle hatte auch gewarnt, die vier Sozialgerichte seien „aufgrund ihrer außergewöhnlichen Belastung in vielen Fällen nicht mehr in der Lage, den verfassungsrechtlich gebotenen zeitnahen Rechtsschutz zu gewährleisten“. In keinem anderen Bundesland seien die Sozialrichter derart stark belastet wie in Brandenburg, mit 400 erledigten Verfahren pro Jahr und Sozialrichter liegt Brandenburg zugleich bundesweit an der Spitze. Und in kaum einem Bundesland sind die Aktenberge unerledigter Verfahren je Sozialrichter so hoch wie in Brandenburg. Das Personal werde auf Verschleiß gefahren.
Nun sagte Oesterle: „Ich freue mich über die Bemühungen des Ministeriums, der Personalnot der Sozialgerichtsbarkeit ein gutes Stück abzuhelfen.“ Ihm sei bewusst, dass die Personalaufstockung angesichts des engen Haushalts nicht selbstverständlich war. axf/dpa
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