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Prozess um ermordete Mädchen: „Meinem Ex-Mann ist nie etwas wirklich geglückt“

UPDATE. Als Christina O. sagen soll, wann sie zuletzt ihre beiden Töchter gesehen hat, versagt ihre Stimme. Es war im August 2011, damals fuhr ihr Ex-Mann mit den Mädchen in den Urlaub.

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Potsdam - Jetzt wird dem 41-jährigen Dänen vor dem Landgericht Potsdam wegen Doppelmordes an den Kindern der Prozess gemacht, Peter-Thue R. soll laut Anklage seiner früheren Frau im Streit um das Sorgerecht die Kinder nicht gegönnt haben. Vor Gericht hat er gestanden, Line Sofie (9) und Marlene Marie (10) am 12. August in einem Waldstück bei Börnicke am Autobahnddreieck Havelland umgebracht zu haben. Er betäubte die auf der Rückbank seines Wagens angeschnallten Mädchen mit Schlaftabletten, schüttete zehn Liter Benzin im Wagen aus, zündete es an und ließ seine Kinder in den Flammen sterben.

Die 41-Jährige äußert sich in der fast fünfstündigen Vernehmung am Donnerstag ausführlich über ihre Ehe, die Scheidung und den Streit um die Kinder. Sie spricht leise und bedacht. Obwohl ihr mehrfach die Tränen kommen, wirkt sie gefasst. Ursprünglich sollte sie bereits Ende März aussagen. Peter-Thue R. aber wollte die Begegung vor Gericht verhindern und versuchte sich im Gefängnis mit Tabletten umzubringen. Nun sitzen sie sich erstmals wieder gegenüber. Als Christina O. in den Zeugenstand gerufen wird, schaut sie ihn direkt an. Ihr Ex-Mann aber wendet sich ab, sitzt die gesamte Zeit zusammengekauert auf der Anklagebank und starrt bleich – jeden Blickkontakt vermeidend – ins Leere.

1996 hatten sich beide kennen gelernt, zogen schnell zusammen, wurden 2001 Eltern und kauften sich einen kleinen Bauernhof. „Wir hatten Spaß“, sagt Christina O. Während die Laborantin sich zur Lehrerin ausbilden ließ, wechselte der gelernte Landwirt mehrfach die Jobs, er „hatte Schwierigkeiten, sich seinen Chefs unterzuordnen“. Und „er war überfordert, hatte einfach zu viele Projekte“, die Ehe wurde „schwieriger“, sagt sie. Eine Paarberatung brachte nichts. „Wir hatten unterschiedliche Weltbilder, wenn er sich entspannen musste, dann immer nur vor dem Fernseher oder dem Computer“. Peter-Thue R. hat sich verändert in den Jahren, verlor seinen Humor, hatte keine Freunde, war neidisch auf andere, denen es besser ging. Während sie etwas unternehmen wollte, versank er tagelang in „schwarzen Löchern“, litt an Depressionen. Christine O. beschreibt ihn als „gefühlsmäßig abgestumpft“, einer, der schwer Kompromisse eingehen konnte. Aber Christina O. sagt auch: „Er hat alles versucht, um ein guter Vater zu sein.“ Aggressiv sei nie gewesen.

2009 ließ sich Christina O. scheiden, weil er sich „zu wenig für das Familienleben engagierte“. Nach der Trennung lief es zunächst gut, die Kinder waren im Wochenwechsel bei den Eltern. Aber Peter-Thue R. war frustriert, er sagte ihr: „Wenn ich euch nicht bekomme, dann bekommt euch niemand.“ Dass es seiner Ex-Frau mit neuem Partner gut ging, dass „es jetzt bei mir klappte“, verbitterte ihn. „Er hatte Angst, dass ihm die Mädchen entgleiten.“ Kam es zum Streit bei der Übergabe der Kinder, „leuchteten seine Augen vor Wut und Hass“. Mehrfach rief sie die Polizei. „Ich werde dich zerschmettern“, sagte er ihr. Christina O. „hatte den Eindruck, dass seine Welt einstürzt, vor allem weil ihm in seinem Leben nie wirklich etwas geglückt ist“. Er hatte keinen Job, der Bauernhof stand vor dem Zwangsverkauf. „Für ihn war es eine persönliche Niederlage, weil er die Familie nicht zusammenhalten konnte.“

Schließlich wollte R. mit den Kindern fortziehen, ohne mit seiner Ex-Frau Details zu klären. Den Umzugstermin erfuhr sie von der Schule. Schließlich machte sie ihm das Wohnrecht für die Kinder streitig, die Behörden sprachen es ihr zu – wenige Wochen vor der Tat. Im Juli eskalierte der Streit. „Am Telefon sagte er mir, dass ich ihn nicht unter Druck setzen sollte, sonst würden grausamste Dinge geschehen.“ Als er im August mit den Kindern in den Urlaub fuhr, wusste niemand, dass es nach Deutschland ging. „Ich hätte mir in meinen wildesten Fantasien nicht vorstellen können, dass er den Kindern etwas antut. Das war mein Fehler“, sagt die Mutter.

Für Anwalt Matthias Schöneburg, der sie als Nebenklägerin vertritt, ist das Motiv klar: „Das einzig Geglückte in seinem Leben waren die Kinder. Die wollte er nicht verlieren. Er wollte seiner Frau eins auswischen und hat die Kinder ermordet.“ Es gehe nicht um eine spontane Verzweiflungstat, sondern um gezielten Mord. Der Prozess wird am 8. Mai fortgesetzt, dann stellt eine Psychiaterin ihr Gutachten vor. Bekannt ist, dass R. zurechnungsfähig ist, aber an einer narzistischen Störung leidet. Andere Gutachter hatten bereits zentrale Aussagen des Angeklagten widerlegt, er habe sich mit den Kindern umbringen wollen. Ein Urteil könnte Ende Mai fallen.

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