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Unverzichtbar oder überflüssig? Seit Langem wird um die industrielle Tierhaltung und -verarbeitung gestritten. In Brandenburg haben Megaställe seit geraumer Zeit Konjunktur.

© epd

Brandenburg: Millionen für Megaställe

Rot-Rot unterstützt die Massentierhaltung umfangreich, während die Förderung von Biobauern sogar zeitweise ausgesetzt wurde

Von Matthias Matern

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Potsdam - Die rot-rote Landesregierung Brandenburgs hat maßgeblich zum Boom der Massentierhaltung im Land beigetragen. Das geht zumindest aus den Antworten der Landesregierung auf zwei kleine Anfragen des Fraktionsvorsitzenden der Grünen im brandenburgischen Landtag, Axel Vogel, hervor. Demnach reichte Rot-Rot in der aktuellen Legislaturperiode insgesamt 70 Millionen Euro an Fördermitteln für den Bau neuer Stallanlagen aus. Nach Einschätzung Vogels entfiel nur ein vergleichsweise geringer Anteil davon auf Förderanträge ökologisch wirtschaftender Betriebe. „In Brandenburg werden große Summen an Steuergeldern dafür verwendet, die Massentierhaltung aufzupäppeln“, kritisiert Vogel. „Diese massive Unterstützung der Massentierhaltung hat erst unter Rot-Rot eingesetzt. Die Landesregierung hilft so tatkräftig mit, dass sich Brandenburg zum Eldorado für Hühnerbarone und Schweinemäster entwickeln kann.“

Angaben des brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums zufolge förderte die Landesregierung den Ökolandbau im selben Zeitraum nur mit 66 Millionen Euro. Lange Zeit wurde die Unterstützung für Bauern, die ihren Betrieb auf Bio umstellen wollten, sogar gänzlich ausgesetzt. Von Rot-Rot fordert Vogel, die Förderung der Massentierhaltung zu stoppen. „Öffentliche Gelder sollten in Zukunft nur noch in Förderprogramme fließen, die dem Schutz von Natur und Umwelt, der regionalen Wertschöpfung und der ländlichen Entwicklung dienen und mit hohen Tierschutzstandards vereinbar sind.“

Wie berichtet hat die Zahl großer Zucht- und Mastanlagen in Brandenburg zuletzt deutlich zugenommen. Hintergrund ist, dass Anlagenbetreiber in Hochburgen der Massentierhaltung, etwa in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden, kaum noch neue Anlagen genehmigt bekommen. Umstritten ist die Massentierhaltung wegen ihrer negativen Folgen für die Umwelt und für die menschliche Gesundheit. Unter anderem wird die Tierhaltung im industriellen Maßstab verantwortlich dafür gemacht, dass sich sogenannte antibiotikaresistente Keime immer stärker ausbreiten. Sie sind vor allem für immungeschwächte Personen gefährlich.

Außerdem führt das Ausbringen der Gülle auf den Feldern zu einer Belastung des Grundwassers mit Stickstoff. Dies wiederum kann mitunter sogar ernste Folgen haben. „Bei Neugeborenen kann das zur Blausucht oder Zyanose führen. Dabei verfärbt sich die Haut der Kinder blau, ein Zeichen dafür, dass ihr Blut nicht mehr genügend Sauerstoff transportieren kann“, erläutert Matthias Freude, Präsident des brandenburgischen Landesumweltamtes. In einigen Teilen Niedersachsens müsse deshalb das Trinkwasser bereits über mehrere Hundert Kilometer weit aus dem Harz herangeholt werden, so Freude. Auch in Brandenburg ist die Belastung enorm hoch. Zumindest wurden die Grenzwerte 2005 laut einer Karte des Landesumweltwamtes bereits in mehreren Regionen überschritten. Obwohl der Druck der Investoren auf Brandenburg gestiegen ist, werde die Karte nicht aktualisiert, kritisiert Axel Kruschat, Geschäftsführer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Brandenburg.

Zusammen mit anderen Verbänden und Organisationen hat der BUND eine Volksinitiative gestartet, mit der der Landtag gezwungen werden soll, sich mit dem Thema zu befassen. 20 000 Unterschriften sind dafür notwendig. Laut BUND sind es bereits 34 000. Für den kommenden Sonntag hat das Bündnis zu einer Demonstration in Potsdam unter dem Motto „Wir haben es satt!“ aufgerufen.

Ein Zeichen setzen wollen die Organisatoren damit nicht nur für die kommende Landtagswahl im September, sondern auch im Vorfeld des dreitägigen Treffens der Agrarminister der Länder in Potsdam. Von Dienstag bis Donnerstag findet dort unter der Führung des brandenburgischen Landwirtschaftsministers Jörg Vogelsänger (SPD) die Agrarministerkonferenz statt. Auch über Verbesserungen in der Nutztierhaltung soll gesprochen werden. Zuletzt hatte sich Vogelsänger bei Gegnern von Megaställen wenig Freunde gemacht. „Wir haben zu wenig Tiere im Land und jede Investition in Tierhaltung ist auch eine Investition ins Tierwohl“, hatte der Minister unter anderem kurz vor der Grünen Woche im Januar verkündet.

Inzwischen hat Vogelsänger offenbar auf die wachsende Kritik an der Massentierhaltung reagiert. Die Richtlinien für die Genehmigung von Förderanträgen sei mit Blick auf eine artgerechte Haltung verbessert wordem, hatte der Minister vor wenigen Tagen erst erklärt. „Wir fördern mit hohen Anforderungen: Sowohl in der Basisförderung wie auch in der Premiumförderung gelten höhere Kriterien, als gesetzlich vorgeschrieben sind“, hieß es. Viel verbessert hat sich nach Meinung der Grünen aber nicht, zumindest bei der Größe der Ställe. Bei Putenhennen seien demnach weiterhin auch Anlagen förderfähig, wenn sie wenigstens einen Quadratmeter Platz pro 35 Kilogramm Lebendgewicht böten. Eine schlachtreife Pute wiegt rund zehn Kilogramm.

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