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Von Alexander Fröhlich: Minister oder geschädigter Bürger

Wie die Polizei nach Rainer Speers (SPD) Laptop suchte – „ungewöhnlich“, meint die CDU

Stand:

Potsdam - Der Laptop des als Innenminister zurückgetretenen Rainer Speer (SPD) sorgt weiter für Wirbel, selbst im Justizausschuss des Landtags – vor allem wie die Polizei in den ersten Wochen nach dem Verschwinden des Gerätes danach suchte. Die CDU-Opposition wittert Vorzugsbehandlung für den SPD-Politiker, für Justiz und Polizei ist alles rechtmäßig verlaufen. Und das Innenministerium versucht nebenher mit deftigen Worten jeden Verdacht zu zerstreuen, Journalisten seien überwacht worden.

Es geht um die technischen Überwachungsmaßnahmen nach dem Verschwinden des Laptops. Zur Erinnerung: Am 30. Oktober 2009 hatte Speer noch als Finanzminister und künftiger Innenminister der Polizei gemeldet, sein Laptop sei in der Potsdamer Parkstraße aus seinem Dienstwagen gestohlen worden. Sofort wurden Ermittlungen wegen „schweren Diebstahls“ eingeleitet. Auf Weisung der Polizeispitze versuchten die Ermittler die im Laptop eingebaute Telefonkarte zu orten, aber ohne Erfolg. Strittig ist, ob dazu ein richterlicher Beschluss nötig gewesen wäre. CDU-Innenexperte Sven Petke wittert Ungleichbehandlung von Minister und Normalbürgern. Es sei gar nicht klar, „wie der Gegenstand seinen Besitzer verlassen hat, ob es einen Diebstahl gegeben hat“. Viele Hinweise sprächen dafür, „dass das Laptop verloren gegangen ist“.

Petke erinnerte an Speers Aussage, dass sich keine dienstlichen Verschlusssachen auf dem Gerät befunden hätten. Daher sei das Vorgehen der Polizei „ungewöhnlich“. Solch weitreichenden Maßnahmen – zumal beim Diebstahl eines Privat-Computers – seien vom Polizeigesetz nur gedeckt, „wenn Gefahr für Leib und Leben“ bestehe. „Vielleicht ging es um das politische Überleben von Herrn Speer.“

Die Sprecherin des Polizeipräsidiums Potsdam, Anja Resmer, sagte hingegen, „ein richterlicher Beschluss war nicht erforderlich, da der Polizei die schriftliche Einverständniserklärung des Geschädigten vorliegt“. Ähnlich äußerte sich Ingo Decker, Sprecher des Innenministeriums. „Die Auskunftsersuchen zur Standortermittlung wurden direkt an den Provider gestellt“, sagte er. Auch Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) verteidigte im Rechtsausschuss des Landtages das Vorgehen der Polizei. Der Diebstahl eines Minister-Laptops aus einem Dienstwagen rechtfertige besondere polizeiliche Maßnahmen. Der Ortungsversuch sei jedoch „nicht erfolgreich gewesen“.

Nach Angaben des Innen- und Justizressorts ging der Vorgang im Januar 2010 an die Staatsanwaltschaft Potsdam. Die hat mit dem Landeskriminalamt weitere Wege ausgelotet, um den Computer zu finden. Die Ermittler nahmen an, dass eine andere SIM-Karte in dem Gerät verwendet werden könnte, „daher sollten die Abfragen auf weitere Mobilfunknetzbetreiber ausgedehnt werden“. Dafür holte sich die Staatsanwaltschaft den nötigen richterlichen Beschluss. Als dann vor einigen Wochen Speer mit Vorwürfen konfrontiert wurde, die sich möglicherweise auf Dateien von Speers Computer stützen, nahm die Polizei das eingestellte Ermittlungsverfahren wieder auf. Justizminister Schöneburg spricht nun von Anhaltspunkten für „Nachrichtendealerei“.

Ob im Zuge dieser Maßnahmen auch Journalisten überwacht und abgehört wurden, das lässt Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg derzeit prüfen. Die Antworten der Leitenden Oberstaatsanwälte sind noch nicht vollständig eingegangen. Ihm seien derartige Ermittlungsverfahren oder richterliche Beschlüsse bislang nicht bekannt, so Rautenberg. Er müsste aber von solchen Verfahren eigentlich „wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Pressefreiheit ausnahmslos Kenntnis haben“. Mehrere Journalisten in Potsdam haben eindeutige Indizien dafür, dass sie im Zuge ihrer Recherchen zu Speer und den Immobilienaffären überwacht oder ihre Telefone abgehört werden.

Das wies Innenministeriumssprecher Decker gestern als „Gerüchtemacherei“ und „Ablenkungsmanöver“ zurück – und verwies auf Journalisten, die „mutmaßlich im Besitz von illegal beschafften Daten“ sein sollen. Weder durch Behörden des Landes oder in ihrem Auftrag tätige Dritte würden Journalisten abgehört oder observiert. Decker sprach zugleich von seinem früheren Minister als „einem durch Kriminelle geschädigten Bürger“, dem Rechte zustehen. CDU-Mann Petke sagte dazu: „Mir ist kein Fall bekannt, in dem die Polizei solch vorbildliche Bemühungen für das Privatgerät eines Normalbürgers gezeigt hat.“

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