Brandenburg: Mit dem Rücken zur EU
Radio live: Experten diskutierten im Brandenburger Landtag über Jobs durch Europa
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Radio live: Experten diskutierten im Brandenburger Landtag über Jobs durch Europa Potsdam - Um die Chancen aus der EU-Osterweiterung, um freien Handel, Steuerreformen, Infrastruktur zweiten Grades und neue Arbeitsplätze ging es am Mittwochabend im Brandenburger Landtag auf dem Potsdamer Brauhausberg. Da wo gewöhnlich die Abgeordneten Platz nehmen, saßen 100 Zuhörer, knapp die Hälfte Schüler und Studenten. Die eigentliche Ministerriege war zum Podium umfunktioniert worden, auf dem Experten über das Thema „Neue Jobs durch Europa“ diskutieren. Deutschlandradio Kultur und die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland hat zur Live-Sendung für Jugendliche "Tonart.E, Reden über Europa" eingeladen. Er sehe die Chancen größer als die Risiken, erklärte Steffen Reiche (SPD), Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Auschusses für Europaangelegenheiten. 400 Millionen Verbraucher in einer Freihandelszone, da würden sich große Exportmöglichkeiten eröffnen. Das Land tue sich aber schwer mit Reformen, im Bildungsbereich, bei der Steuer, im Sozialen, so Reiche. Deshalb komme die Wirtschaft nicht in Schwung. Er plädiere für mehr wirtschaftliche Freiheit, weniger steuerliche Belastung und Reglementierungen für Unternehmer. Wenn Deutschland endlich reformmutiger werde, könne das Land in fünf Jahren doppelt so weit sein wie heute. Für die Boomregion Berlin-Brandenburg ist der größere Markt sicher Gewinn, für die Randregionen aber ein Problem, meinte der Wissenschaftler Joachim Kujath vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung. Die gravierenden Unterschiede bei Lohnkosten, Sozialleistungen, aber auch Kultur und Bildung würden sich hier besonders gravierend auswirken. Wirtschaftliche Entwicklung lasse sich nur dann vorantreiben, wenn auch das Umfeld gestaltet werde. Mit entsprechenden finanziellen Förderungen. Infrastruktur zweiten Grades heißt für ihn das Zauberwort. Gemeint sind damit nicht nur mehr Straßen, sonden auch das Investieren in Bildung, Kommunikation und Dienstleistung. Grenzüberschreitende Netzwerke solcher Infrastruktur-Bereiche müssten geschaffen werden. Dann seien die Nachbarländer im weiten Sinne „erreichbar“ und dann würde auch die Wirtschaft „mitziehen“. Das größte Wachstumspotenzial Deutschlands sieht er nach wie vor in der Dienstleistungsbranche. Heute seien dort zwei Drittel der Arbeitnehmer beschäftigt, 2010 würden vier von fünf Beschäftigten in der Branche tätig sein. Rainer Barcikowski, Geschäftsführer der EKO Stahl GmbH, kritisierte das mangelnde Durchhaltevermögen bei Förderungen. Pilotprojekte seien so kurz angelegt, so dass ihre Früchte nicht geerntet werden könnten. Zudem seien viele jungen Menschen im Land dem Osten und der EU gegenüber wenig aufgeschlossen. Während die polnischen Studenten mit dem Gesicht zur EU stünden, drehten die Studenten in Brandenburg der EU den Rücken zu. Es fehlt in Deutschland an langfristiger Arbeitskräfteplanung, an Innovationen und Investitionen, argumentierte Heinz Zourek, Stellvertetender Generaldirektor bei der Europäischen Kommission. Zudem schaffe es das Land nicht, Forschungsergebnisse umzusetzen, in Innovationen, in neue Produkte. Der Dialog von Industrie und Forschung müsse aufgebaut, Berührungsängste von Wissenschaft und Wirtschaft abgebaut werden. Weiterer Minuspunkt in Deutschland sei das Problem für Unternehmer, an Kapital zu kommen. Die EU werde in Zukunft noch mehr Institutionen fördern, die à la Joint Venture Investionshilfen zur Verfügung stellen. Die EU-Osterweiterung schafft und vernichtet Arbeitsplätze, wusste Zourek. Entscheidend sei aber die Bilanz, die am Ende dabei heraus komme.
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