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Brandenburg: Mit jedem toten Vogel wächst die Angst

Tote Schwäne haben gestern die Behörden beschäftigt. Noch ist unklar, ob sie Vogelgrippe erkrankt waren

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Potsdam/Berlin - Nach den Vogelgrippefällen bei Schwänen und einem Habicht auf der Insel Rügen häufen sich in Brandenburg die bekannt gewordenen Meldungen über verendete Vögel. So wurden in Karwe bei Neuruppin sowie in der Prignitz gefunden. Ob hier Verdachtsfälle auf Vogelgrippe vorliegen, könne momentan noch nicht gesagt werden, sagte der Sprecher des Agrarministeriums, Jens-Uwe Schade. Das werde erst eine Untersuchung im Landeslabor in Frankfurt (Oder) und Potsdam ergeben. Erst am Freitag sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Die genaue Anzahl der toten Vögel war zunächst unklar. Allein bei Karwe wurden vier tote Schwäne von der Feuerwehr geborgen, wie der Landrat von Ostprignitz-Ruppin, Christian Gilde (SPD), sagte. Auch in der Prignitz soll es sich nach vorläufigen Angaben um mehrere Vögel handeln. Schade sagte, es scheine so zu sein, dass Schwäne ein erhöhtes Risiko einer Infektion mit dem Vogelgrippe-Erreger haben. Der Landestierarzt werde den Kreisen daher vorschlagen, das Wildvogel-Monitoring in den nächsten Wochen besonders auf Schwäne zu konzentrieren. Auch in Berlin-Reinickendorf, im Norden der Stadt, wurde ein toter Schwan entdeckt. Er wurde zur Untersuchung in das Berliner Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (Ilat) gebracht.

Ob aber tatsächlich mehr Vögel verenden, als sonst bei solcher Witterung oder ob einfach nur mehr publik werden, ist noch völlig unklar. Schon in den vergangenen Wochen waren immer wieder vereinzelt tote Wildvögel gefunden und an das Landeslabor geschickt worden – darunter sieben tote Schwäne –, ohne das öffentlich davon nennenswert Notiz genommen worden war. So waren etwa mehrere verendete Wildgänse, die im Januar an der Autobahn 10 bei Werder gefunden worden waren, im Landeslabor in Frankfurt (Oder) untersucht worden.

„Ein verendeter Schwan ist nichts Ungewöhnliches“, sagt auch Jochen Hentschke, der Leiter der Infektionsdiagnostik im Berliner Ilat. „Aber die Menschen sind natürlich nach den Funden der mit Vogelgrippe infizierten Schwäne auf Rügen besonders sensibilisiert – und das ist auch angebracht.“

Hentschke hat mit seinen Mitarbeitern auch sofort mit der Untersuchung des Reinickendorfer Schwans begonnen, zu dem sich bald noch ein verendeter Artgenosse aus Berlin-Köpenick gesellte. Mit Ergebnissen ist in Berlin nicht vor dem heutigen Donnerstagnachmittag zu rechnen.

Ohnehin können die Wissenschaftler der Labore in Berlin und Brandenburg lediglich eine Aussage darüber treffen, ob die Tiere an Vogelgrippe erkrankt waren. Ein Nachweis des tödlichen H5N1-Virus kann nur durch das Nationale Referenzlabor auf der Ostsee-Insel Riems erfolgen. Hentschke hält dies allerdings für extrem unwahrscheinlich, rät aber trotzdem zu Vorsicht im Umgang mit jeglichem Federvieh: „Eltern sollten ihre Kinder nochmal darauf hinweisen, dass sie tote Tiere generell nicht berühren. Und mit Kleinkindern muss man in diesen Tagen nun wirklich nicht unbedingt dahin gehen, wo Höckerschwäne gefüttert werden.“

Hentschke und andere Experten warnen vor Panikreaktionen, können aber beispielsweise nicht ausschließen, dass Kinder sich auch über die Berührung des Gefieders oder auch einzelner Federn anstecken.

„Alle Zugvögel reinigen ihr Federkleid mit dem Schnabel“, sagt der Direktor des Landeslabors Brandenburg in Frankfurt (Oder), Roland Körber: „Das Virus wird vor allem durch den Schnabel und den ausgeschiedenen Kot übertragen. Wenn es in hoher Konzentration an den Federn haftet, könnte es theoretisch auf ein Kleinkind, das nach der Berührung seine Finger in den Mund nimmt, übertragen werden.

Auch die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit warnt die Bevölkerung eindringlich, „tote Tiere auf keinen Fall anzufassen und auch keine Federn aufzusammeln.“ Ab dem morgigen Freitag besteht für die 7000 in Berlin lebenden „Nutz- und Ziervögel“ ohnehin ein „Aufstallungsgebot“.

Roland Körber, Direktors des Landeslabors Brandenburg sagte, mit dem Einsetzen des Vogelflugs ab Anfang März werde sich die Gefahr, dass das Virus eingeschleppt wird, erneut erhöhen. „Die größte Gefahr besteht aber nach wie vor durch den Reiseverkehr und illegale Einfuhren von Geflügelfleisch oder gar lebenden Tieren.“ Nach Angaben Körbers wurden im Landeslabor allein zwischen Oktober und Dezember 2005 rund 4800 tote Vögel negativ auf das Virus untersucht. Seit Jahresbeginn seien es weitere knapp 110 Tiere gewesen. (mit ddp)

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