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Brandenburg: Mit langen Unterhosen ins Gericht

Ankläger und Anwälte bibbern gemeinsam im Kriminalgericht Berlin-Moabit / Sparsames Heizen sorgt für Unmut

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Berlin - Staatsanwälte, Richter und Wachpersonal sind sich einig: So extrem kalt wie 2007 war es im Kriminalgericht Moabit noch nie. Bei Raumtemperaturen um die 16 Grad bekamen im November nicht nur Häftlinge, sondern auch Richter und Staatsanwälte kalte Füße. Ein Anwalt gesteht sogar, die lange Unterhose wieder angezogen zu haben, „weil die Kälte nicht mehr zu ertragen war“.

Bei nur zehn Grad Celsius in den hohen, breiten Gängen des 100 Jahre alten Gerichtsgebäudes fühlen sich besonders auch Besucher wie in einem Kühlhaus. Ein Zeuge beklagte, völlig durchgefroren zu sein, als er nach stundenlangem Warten endlich in den Gerichtssaal gerufen wurde. Grund für den Unmut ist die Berliner Heizbetriebverordnung von 2002, die erstmals in diesem Jahr auch im Kriminalgericht Moabit umgesetzt wird.

Eine Million Euro hat die Objektverwaltung, die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), im vergangenen Jahr in modernste Heiztechnik investiert. Sämtliche Thermostatventile an den veralteten Heizkörpern wurden ausgetauscht, 1000 Büroräume mit Einzelraumreglern ausgestattet. Über eine Gebäudeleittechnik kann nunmehr zentral die Raumtemperatur eingestellt werden.

Während die Räume früher überheizt waren, dominiert nun vielerorts die Kälte. „Die Reduzierung der Raumtemperatur grenzt teilweise an Körperverletzung“, sagt Oberstaatsanwältin Vera Junker. „Wenn die Kälte den Körper hochkriecht, kann man nicht mehr arbeiten und denken.“ Um von unten ein wenig mehr Wärme zu erzeugen, hat sie einen Teppich mitgebracht und unter ihren Schreibtisch gelegt.

In einem gemeinsamen Brief mit dem Deutschen Richterbund des Landes Berlin hat sich die Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte über die Zustände sogar bei Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) beschwert. Obwohl die Temperaturen daraufhin im Dezember leicht nach oben korrigiert wurden, reißt die Flut der Beschwerden nicht ab. Denn die Kälte kommt auch vom Flur in die Zimmer. Undichte Fenster und Türen lassen Angestellte weiterhin frösteln.

Nach Angaben von BIM-Sprecherin Katja Potzies wurden auf den Gängen die Temperaturen unterdessen „pauschal auf 18 Grad eingestellt“. Sie verweist auf die Vorgaben des Landes Berlin und auf den „Energiesparvertrag“, an den die BIM gebunden sei. Unter dem Gesichtspunkt eines „sparsameren und rationelleren Energieverbrauchs“ sind in Büroräumen der Berliner Verwaltung 20 Grad und in Fluren 10 bis 15 Grad zulässig. Die aufwendige Investition geht auf eine „Energiepartnerschaft“ der BIM mit einem renommierten Gebäudetechnik-Unternehmen zurück und garantiert laut Vertrag eine jährliche Energieeinsparung von 200 000 Euro. Das Ziel, den Energieverbrauch im Kriminalgericht pro Jahr von ursprünglich 850 000 Euro um 32 Prozent zu reduzieren, wurde sogar vom Europäischen GreenBuilding-Programm als „Leuchtturmprojekt“ ausgezeichnet.

„Hier werden wieder auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiter Einsparungen vorgenommen“, moniert Vera Junker. Insbesondere Frauen beschwerten sich weiterhin über „fußkalte Zimmer“. Aber auch ihre männlichen Kollegen, die gewöhnlich weniger kälteempfindlich seien, beklagten die Zustände und trügen wieder „Skiunterwäsche im Dienst“.

Die Stimmung unter den Angestellten ist wie die gefühlten Temperaturen eisig, und der Krankenstand entsprechend hoch. Beatrix Boldt

Beatrix Boldt

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