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Brandenburg: Mit Schlägen, Tritten und einem Stein gegen Spätaussiedler Am Mittwoch beginnt der Prozess zum Tod von Kajrat Batesov

Wittstock. Der Feldstein wiegt knapp zwei Kilogramm.

Von Frank Jansen

Wittstock. Der Feldstein wiegt knapp zwei Kilogramm. Marko F. hebt ihn mit beiden Händen hoch. Vor F. liegt auf dem Bürgersteig der Aussiedler Kajrat Batesov. Es ist der 4. Mai 2002, kurz nach vier Uhr früh, nahe einer Disko in Wittstock. Das 24 Jahre alte, aus Kasachstan stammende Opfer ist schon schwer verletzt. Marko F. und ein Kumpan haben derart zugeschlagen und getreten, dass der Aussiedler sich nicht mehr rührt. Jetzt wirft F. auch noch den Stein. Er prallt auf Batesovs Oberkörper. Knapp drei Wochen später ist der Aussiedler tot. Die Verletzungen an Kopf, Leber, rechter Niere, Magen und Bauchspeicheldrüse sind zu schwer, die Ärzte im Krankenhaus Pritzwalk haben keine Chance. Entsetzen macht sich breit, über Brandenburg hinaus. Und das Land gerät einmal mehr in den Ruf, eine Hochburg rassistischer Schläger zu sein. Doch der Prozess gegen Marko F. und die Mitangeklagten Mike S., Patrick S., Ralf A. und Michael H., der am morgigen Mittwoch beginnt, ist mit einigen Unklarheiten belastet. Abgesehen davon, dass der Feldstein keine 15 oder 17 Kilo wog, wie einst von den Behörden berichtet.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ist sich nicht sicher, dass Batesov sterben musste, weil er Aussiedler war. In der Anklage ist „nur“ von Totschlag und gefährlicher Körperverletzung die Rede, ein fremdenfeindlich motivierter Mord wird aber nicht ausgeschlossen. Sicherheitskreise verweisen auch auf mehrere Indizien für Fremdenhass. Erstens: Der Angriff auf Batesov und seinen Freund Maxim Kartagusov, ebenfalls ein Aussiedler und dann auch verprügelt, sei gezielt erfolgt. Zweitens: Einige Angeklagte hätten selbst berichtetet, es sei „Scheiß Russen“ gerufen worden. Drittens: Der Angeklagte Mike S. habe schon Ende April 2001 bei einer Attacke auf Aussiedler mitgemischt. In Wittstock trafen sich VW-Fahrer, darunter auch Russlanddeutsche. Diese hätten sich geweigert, Mike S. und seinen Skinhead-Freunden Zigaretten zu geben, heißt es in Sicherheitskreisen. Daraufhin seien mindestens zwei Aussiedler geschlagen worden. Viertens: Als Mike S. damals festgenommen wurde, entdeckte die Polizei auf dem Display seines Handys ein Adler-Symbol mit Hakenkreuz. Daneben prangten die Worte „Immer, ewig“.

In dem Prozess zum Tod von Kajrat Batesov werden seine Mutter und Maxim Kartagusov als Nebenkläger auftreten. Die Mutter will schildern, was für ein Mensch ihr Sohn war – und so dem möglichen Vorwurf von Angeklagten entgegenwirken, die Aussiedler hätten die Tat provoziert. Wie sehr Batesovs Familie mit ihrem Schicksal hadert, zeigt ein Brief, den ein Onkel aus Russland an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse schrieb. Der Verwandte bittet um eine „verdiente Strafe“ für die „deutschen Rassisten“ – und um Schutz für Kajrats Mutter.

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