Brandenburg: Mit Vollgas durchs Schutzgebiet
Bei Jüterbog machen Naturschützer, Polizei und Förster Jagd auf Motorradfahrer, die mit ihren Crossmaschinen durch die Wälder rasen und die Natur zerstören – ein ungleiches Rennen
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Jüterbog - Sie sind schnell, laut und rücksichtslos – schrecken nicht mal davor zurück, mit ihren Maschinen direkt auf Wanderergruppen zuzuhalten. „Es war nur ein schmaler Weg, sie kamen uns entgegen, haben aber nur kurz gebremst und dann wieder Gas gegeben“, schildert Andreas Hauffe, Liegenschaftsverwalter der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg für die Stiftungsflächen Jüterbog und Heidehof, seine eigene Erfahrung. Seit Jahren kämpft die Stiftung gegen Motorradfahrer, die mit ihren grobstolligen Crossmaschinen entgegen allen Vorschriften und Verboten vor allem im Naturschutzgebiet Forst Zinna-Jüterbog-Keilberg durch die Landschaft pflügen, dabei junge Pflanzentriebe zerstören und seltene Tierarten verschrecken. Nachdem die Naturschützer zwischenzeitlich mit polizeilicher Unterstützung aus der Luft die Raserei etwas eindämmen konnten, hat sich die Lage laut Hauffe zuletzt wieder etwas verschärft. „Es ist wieder schlimmer geworden.“
Zwar sind solche Begegnungen, wie sie Hauffe vor Kurzem während einer Exkursion im Naturschutzgebiet erlebt hat, eher die Ausnahme, doch die Folgen für Flora und Fauna sind nach seiner Meinung auch so schon schlimm genug. „Nester von seltenen Bodenbrütern wie dem Ziegenmelker oder der Heidelärche werden zerstört oder die Brutpaar werden zumindest verschreckt. Außerdem wärmen sich einige Reptilien wie die Blindschleiche oder die Ringelnatter gerne auf den offenen Sandflächen, die besonders häufig befahren werden“, erzählt Hauffe, der seit der Wende auf dem Areal des ehemaligen Truppenübungsplatzes Jüterbog arbeitet.
Wo früher zunächst die Wehrmacht und später die Sowjetarmee den Ernstfall übten, leben heute neben Ziegenmelder und Blindschleiche auch andere seltene Tierarten wie der Schwarzstorch oder der Wiedehopf. Doch gerade wegen der teils nur spärlich bewachsenen Heidelandschaft und den ausgeprägten Sanddünen scheint das Areal besonders attraktiv für Ausfahrten ins Gelände. Dabei ignorieren die Piloten aber nicht nur, dass das Befahren von Forstwegen mit Kraftfahrzeugen laut Landeswaldgesetz generell verboten ist und man in Naturschutzgebieten nicht mal als Wanderer die vorgeschrieben Wege verlassen darf, sondern auch, dass sie sich selbst in höchste Gefahr bringen. „Das Gelände wurde mehr als hundert Jahre militärisch genutzt und ist nach wie vor in weiten Teilen munitionsbelastet“, berichtet Stiftungssprecherin Anika Niebrügge.
Mit konzentrierten Gemeinschaftsaktionen von Stiftung, Polizei und Forstbehörde wird seit Jahren versucht, den Rasern Herr zu werden. Immerhin mit Bußgeldern bis zu 20 000 Euro müssen die Fahrer rechnen. Erst Ende Juni konnten die Einsatzkräfte einen der illegalen Crosser stellen – ein seltener Fall. Oft haben Polizisten, Förster und Naturschützer das nachsehen. „Das ist fast Zufall, wenn sie mal einen erwischen. Die sind einfach zu schnell und zu wendig. Wir sind mit Auto unterwegs und die kommen praktisch überall durch“, räumt Peter Bremisch von der Polizei Jüterbog ein. Von einer vierköpfigen Rasergruppe, die ebenfalls entdeckt wurde, haben die Beamten dementsprechend nicht viel mehr in den Händen als deren Fotos – doch was hilft's, wenn die Fahrer Helme tragen und vor der Tour ihre Kennzeichen abschrauben?
Laut Bremisch sind illegale Ausflüge ins Gelände überall ein Problem, wo die Chance, erwischt zu werden, besonders klein ist. „Überall wo Wald ist, wird gefahren.“ Beliebt sind auch andere ehemaligen Truppenübungsplätze wie die Reichskreuzer Heide bei Eisenhüttenstadt, die Döberitzer Heide bei Potsdam oder ein Gebiet nahe Templin. Nicht zuletzt über einschlägige Internetforen werden die Tipps weitergeben. Kritikern aus den eigenen Reihen, die auf offizielle Strecken verweisen, wird nicht selten mit unverholener Ignoranz begegnet: „Vor Pferde hab ich da keine Panik, die laufen schon weg. Ob mit oder ohne Reiter on top“, heißt es da etwa, oder „Solange ich zwar ein paar Cross Strecken im 60-150 km Entfernung habe aber kein einziges Enduro Gelände, habe ich nicht mal ein schlechtes Gewissen dabei.“ Nicht selten aber müssen Einsatzkräfte ausrücken, um verunglückten Crossern zu helfen. Vor knapp zehn Jahren etwa hatte sich bei Jüterbog ein Fahrer bei einem Sturz sogar so schwer verletzt, dass er mit einem Hubschrauber gerettet werden musste.
Allein im Bereich der Oberförsterei Jüterbog werden pro Jahr im Schnitt 50 bis 60 Verstöße gegen das Landeswaldgesetz im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen registriert. „Darunter sind aber auch Fälle von Personen, die einfach nur ihren Pkw im Wald abgestellt haben“, räumt Norbert Schurk, Leiter der Oberförsterei, ein. Eine Zeit lang sah es sogar so aus, als könnte man den Crossfahrern den Schneid abkaufen. Mehrere Jahre hatte Brandenburgs Polizei sogenannte Traghubschrauber getestet und die Minihelikopter auch zur Verfolgung der Umweltrowdys eingesetzt. „Das hatte sich damals rumgesprochen, danach wurde es besser“, erinnert sich Schurk. Nach der Landtagswahl 2009 aber wurde das ambitionierte Tragschrauberprojekt vom damaligen Landesinnenminister Rainer Speer (SPD) abgeblasen. Aufwand und Nutzen stünden in keinem vernünftigen Verhältnis, hieß es damals.
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