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Brandenburg: Mobbing im Naturschutz-Ressort

Die seltsame Personalpolitik von Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) erlitt Schiffbruch vor Gericht

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Potsdam - Erneut gerät die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte Landesregierung wegen eines brisanten Gerichts-Urteils in die Kritik. Der Landesverband des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) erhebt schwere Vorwürfe gegen Umweltminister Dietmar Woidke (SPD). Dessen Ministerium war zuvor vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit dem seit 2005 mit allen Mitteln massiv betriebenen Versuch gescheitert, den 54jährigen Helmut B., einen Sachbearbeiter aus dem Landesumweltamt, über die Landesgrenzen hinaus bekannten Artenschutzexperten und ehrenamtlichen Nabu-Mitstreiter, fristlos zu entlassen. Das Obergericht bestätigte damit ein Urteil des Potsdamer Arbeitsgerichtes.

Doch es geht um mehr als um eine Personalie. Für Nabu-Landeschef Tom Kirschey ist der Fall „ein Beleg mehr“ für die fragwürdige Führungspraxis im Woidke-Ressort. „Es ist kein Einzelfall. Es ist politisch motiviertes Mobbing, um den Naturschutz klein zu machen. Das passt zur Naturschutz-Politik des Ministeriums, in der schon lange keine Akzente mehr gesetzt werden“, sagt Kirschey. „Leider geht die Saat auf. In Umweltministerium und Landesumweltamt breiten sich Resignation und Dienst nach Vorschrift aus.“ Auch der dortige Personalrat sieht eine „Einschüchterung der Belegschaft“.

Zwar weist das Ministerium das zurück. Doch längst ist es ein offenes Geheimnis auch innerhalb der Regierung, dass in keinem anderen Ressort die Stimmung so schlecht ist wie im früheren Umweltministerium, das nach 1990 der aus der Bürgerbewegung gekommene, heutige Regierungschef Platzeck aufgebaut hat. In den Anfangsjahren war es ausdrücklich erwünscht, dass sich Mitarbeiter weiterhin ehrenamtlich in Naturschutzverbänden engagieren, aus denen sie oft kamen.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) versucht seit geraumer Zeit, dass als schwierig geltende Ressort, in dem sich nach regierungsinterner Einschätzung tatsächlich „ein zu großes Eigenleben“ ausgebreitet hat, straffer zu führen und rigoros Interessenkollisionen zwischen Behördenhandeln und dem ehrenamtlichem Engagement von Bediensteten zu unterbinden. Doch dabei scheint die Ministeriumsspitze mittlerweile das Maß zu verlieren. Für Nabu und Personalrat ist der Umgang mit Helmut B. dafür exemplarisch.

Der Mitarbeiter des Landesumweltamtes, zuständig für Vorkaufsrechte, war 2005 vom Dienst suspendiert worden. Man warf ihm vor, dem Naturschutzbund „dienstliche Interna“ zugespielt zu haben. Es ging um die bei Naturschützern umstrittene neue Kormoran-Verordnung des Landes, die den Abschuss der Krähenvögel erlaubte. Man fand bei Helmut B. eine kritische Stellungnahme dazu und schlussfolgerte daraus, dass er in seiner Dienstzeit eine Klage des Nabu gegen das Land mit ausgearbeitet hatte, die später eingereicht wurde. Bei den Arbeitsgerichtsprozessen konnte das Land den von Helmut B. und dem Nabu bestrittenen Vorwurf allerdings nicht erhärten. Überhaupt stützte das Land sein Vorgehen fortan vorwiegend auf andere Begründungen.

Ausgangspunkt war eine Durchsuchungsaktion, bei der 2005 sein Dienstzimmer und sein PC durchforstet wurden. Mehr als ein Jahr danach – in dem der Suspendierte bei vollen Bezügen zu Hause saß – erhielt Helmut B. dann eine fristlose Kündigung, ohne vorherige Abmahnung. Außerdem stoppte man die Gehaltszahlungen an den allein stehenden Vater zweier Kinder, der sein Geld monatlich einklagen musste. Jetzt warf man Helmut B. etwa auch noch vor, massiv privaten E-Mail-Verkehr auf dem Dienst-PC abgewickelt zu haben, was er vor den Gerichten weitgehend entkräften konnte. Zum anderen, die schwerste Anschuldigung, soll Helmut B. eine „schwarze Liste“ über Halter und Händler von unter Artenschutz stehenden Tieren auf seinem PC geführt haben – ohne Wissen der Betroffenen und mit deren persönlichen Daten, ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz. Die Existenz der Liste bestritt B. auch nicht, wohl aber, dass er sie geführt und aktualisiert hat. Als Erklärung für die Liste, auf der auch wegen illegalen Handels geschützter Greifvögel Verurteilte zu finden waren, führte er seine frühere Tätigkeit im Landesumweltamt und sein Spezialwissen an: B. war von 1994 bis 1999 für illegalen Tierhandel zuständig und geht einer genehmigten Nebentätigkeit als Sachverständiger nach – er ist ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter Artenschutz-Experte, der seit 20 Jahren als Gutachter für diverse Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden in Deutschland bei Fällen des Schmuggels von nach nationalem und internationalem Recht geschützten toten wie lebenden Tieren und Pflanzen tätig ist. Zwar hatten auch die Arbeitsgerichte durchaus „Bauchschmerzen“ wegen der „schwarzen Liste“. Am Ende reichte aber auch hier aus ihrer Sicht die Beweislage nicht für eine fristlose Kündigung aus.

Nun sucht das Umweltministerium nach einer neuen Tätigkeit für Helmut B., der zwischenzeitlich für ein paar Monate in den Landesbetrieb für Liegenschaften abgeordnet war. Defizite, Versäumnisse oder gar ein zu rigides Vorgehen sieht das Ministerium nicht. „Es ging um einen erheblichen Loyalitätsverstoß, der die sofortige Trennung rechtfertigte“, sagt Sprecher Jens-Uwe Schade. Nabu-Landeschef Tom Kirschey, aber auch der Personalrat können das nicht nachvollziehen – zumal es „eine Vielzahl“ weiterer Fälle gebe. Auf Ministerpräsident Platzeck indes hofft niemand mehr. Brandenburgs erster Umweltminister hat bereits klar gestellt, dass er sich nicht in Woidkes umstrittene Personalpolitik einmischen wird.

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