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Von Eva Kalwa: Modische Dienste

Hinter der Bühne wirbeln Dutzende Helfer, um Mädchen in Mannequins zu verwandeln

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Die blonden, braunen oder roten Haare der jungen Frauen sind im Nacken hochgesteckt, so dass die zierlichen Hälse zu sehen sind. Die roten Münder lächeln viel – wenn die Lippen nicht gerade still halten müssen, weil ein Visagist die Konturen nachzieht. Und die vielen Beine sind so lang und schlank, dass man endlich versteht, für wen die Röhrenjeans tatsächlich erfunden wurden.

Reges Treiben herrscht hinter der Bühne im großen weißen Zelt auf dem Bebelplatz: In knapp einer Stunde beginnt die „Lac et mel“-Modenschau auf der Fashion Week. 18 Friseure, 17 Visagisten und viele weitere Helfer kümmern sich hier eifrig, aber mit professioneller Ruhe um 21 schöne Frauen oder, wie es in der Modewelt meist heißt, „Mädchen“. Die Bezeichnung erklärt sich, wenn man die 16- bis 20-Jährigen am Morgen vor ihrem Auftritt ungeschminkt sieht. Eine halbe Stunde vor der Show tragen alle noch Alltagskleidung. Eine löst entspannt ein Sudoku-Rätsel, andere sitzen auf dem Boden und lesen oder lassen sich ihr Make-up optimieren. Ab und an kommt Boris Entrup vorbei, der Leiter des Visagistenteams, gibt da noch ein wenig mehr Gloss auf die Wangen und trägt dort ein bisschen mehr Lidschatten auf. Auf seiner linken Hand ist ein dunkler Fleck, wo der „Head of Make up“ das Zuviel an Schminke abstreift. Seit gut einer Woche ist der 30-jährige Entrup, der durch die Fernsehshow „Germanys Next Topmodel“ bekannt geworden ist, in Berlin, um das Erscheinungsbild der Models abzusprechen.

Zwischen den schwarz gekleideten Visagisten und den schlanken Models laufen die Haarstylisten in ihren weißen Polo shirts hin und her, immer Kamm und Haarspray parat. „Hier fällt das Haar im Nacken an einer Seite zu stark ab, das würde ich nacharbeiten“, rät André Märtens einer seiner Mitarbeiterinnen. Der Berliner, dessen Familie seit vier Generationen im Friseurhandwerk tätig ist, hat einen Salon in Charlottenburg und ist in diesem Jahr erstmals Leiter des Friseurteams auf der Fashion Week. Auch er hat schon in der vorigen Woche die wichtigsten Vorbereitungen getroffen und mit einigen Haarmodels und den Designern die sogenannten „Look-Tests“ für die rund 30 Modenschauen gemacht. „Mich hat der künstlerische Zweig dieses Handwerks schon immer interessiert, früher habe ich auch für Theater, Musical, Film und Werbung gearbeitet“, erzählt der 41-Jährige.

In dem großen Raum hinter dem Laufsteg nimmt jetzt die Unruhe zu, der Geruch nach Haarspray wird intensiver: Es sind nur noch knapp zehn Minuten bis zur Show. Der Designer Gregor Clemens ruft die Models zusammen, die plötzlich alle lilafarbene Strumpfhosen tragen. Erst sollen die Mädchen mit den Wellenreitern im Haar die schwarzen und gelben Blusen und Kleider anziehen, vorsichtig werden sie über die perfekt sitzenden Haare und das geschminkte Gesicht gezogen. „Nicht in die Haare fassen, Mädels!“, ruft ein Haarstylist nervös. Und da, wo tatsächlich eine Strähne verrutscht oder etwas verschmiert, ist ein Helfer sofort zur Stelle.

„Achtung, das Publikum wird jetzt eingelassen“, ertönt kurz darauf eine Lautsprecherdurchsage. Auf dem großen Monitor, der in der Mitte den noch leeren Catwalk zeigt, sind die Gäste zu sehen, die sich ihre Plätze sichern. Die Models stellen sich für ihren Auftritt in die richtige Reihenfolge. Gleich ist es so weit, die Parade der Schönheit kann beginnen. Und plötzlich sind die roten Lippen fest geschlossen: Das Lächeln der Mädchen darf jetzt leider nicht mit hinaus.

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